Alice Roberts: Spiel des Lebens

Cover Roberts Spiel des Lebens

© wbg Theiss

Was verbindet Hunde, Rinder, Hühner und Pferde? Worin liegen die Gemeinsamkeiten von Weizen, Mais, Kartoffeln, Reis und Äpfeln? Es handelt sich um Tiere und Pflanzen, die im Laufe der Jahrtausende von Menschen domestiziert wurden. Die Medizinerin, Anthropologin, Paläopathologin und BBC-Moderatorin Alice Roberts stellt diese Arten in den Mittelpunkt ihres lesenswerten Buches Spiel des Lebens – Wie der Mensch die Natur und sich selbst zähmte.

Roberts unternahm eine Spurensuche zu den Orten und Zeitpunkten, als diese Arten gezähmt wurden – doch das ist erstaunlich schwer zu ermitteln! Die Puzzlestücke aus der Archäologie und der Genetik sind über die ganze Welt verteilt und ergeben selten ein schlüssiges Gesamtbild. Zwangen klimatische Veränderungen in der Jüngeren Dryaszeit die Menschen, sich zuverlässige Nahrungsquellen zu suchen und sie schließlich zu kultivieren? Oder gab es andere Gründe? Wie gelang es, wilde, gefährliche Wölfe im Laufe der Zeit in anhängliche Haushunde zu verwandeln? An wie vielen Orten wurden Getreidesorten wie der Weizen domestiziert? Was machte den Apfel zu einem wertvollen Geschenk?

Spannendes berichtet Roberts über das Wildgras Teosinte, die Urform des Mais, und seinen Weg in die Neue Welt. Wir erfahren, wie die Gift- und Bitterstoffe der Kartoffel durch Züchtung neutralisiert wurden. Auch die Kontroverse um den „Goldenen Reis“ wird aufgegriffen: um Mangelernährung zu bekämpfen, wurde er gentechnisch verändert und mit Vitamin A angereichert. Die Eingriffe in das Erbgut vieler Arten sind gravierend. Aufhorchen lässt Roberts´ Bericht von einem Besuch im Genlabor des Roslin Instituts, das zur University of Edinburgh gehört. Dort soll mithilfe der Genschere CRISPR die Hühnerzucht perfektioniert werden. Die Manipulation am Erbgut der Hühner geht soweit, dass in den Eiern Proteine gebildet werden, mit denen Viruserkrankungen und Krebs bekämpft werden können. Das Potenzial und die Risiken solcher Eingriffe stellt die Autorin erfreulich differenziert dar.

In diesem Buch wird deutlich, welche Gefahren uns durch die massiven Veränderungen der Arten drohen. Viele Pflanzen sind mittlerweile so stark manipuliert, dass sie ohne unser Zutun nicht fortleben könnten. Durch die Konzentration auf wenige Varietäten sind viele Tier- und Pflanzenarten anfälliger für Krankheiten. Da die Wildformen teilweise schon ausgestorben sind, ist die biologische Vielfalt bedroht! Alice Roberts fordert daher eine schonendere Landwirtschaft und mehr Platz für wilde Tier- und Pflanzenarten.

Auch wir Menschen haben uns unter dem Einfluss domestizierter Arten verändert. Wir haben uns an die Bedürfnisse der Arten angepasst, wurden sesshaft und begaben uns dadurch in Abhängigkeit – kurz: ein Prozess der gegenseitigen Zähmung! Alice Roberts stellt klar, dass die Menschheit selten planvoll vorgegangen ist. Viel wahrscheinlicher seien allmähliche Annäherungen, die bei geeigneten Partnern zu immer engeren Verflechtungen führten.

Spiel des Lebens ist ein sehr anregendes Buch, dessen Lektüre nie langweilig wird! Jedes Kapitel hat die Autorin anders aufgebaut. Mal beginnt Roberts in ferner Vergangenheit und arbeitet sich bis zu genetischen Studien der Gegenwart vor, und mal startet sie an ihrem heimischen Schreibtisch und wandert zurück zum Ursprung einer Art. Lebendig erzählt sie von ihren Recherchen in Laboren und an verschiedenen Ausgrabungsstätten. Etwas knapper hätte sie die vielen widersprüchlichen Ergebnisse aus der Forschung darstellen können. So kam es zu manchen logischen und zeitlichen Sprüngen. Mein Interesse an diesem spannenden Buch hat das allerdings nicht beeinträchtigt.

Alice Roberts verknüpft gekonnt Archäologie, Genetik und Kulturgeschichte. Sie zeigt, dass wir noch lange nicht am Ende der Erkenntnis angekommen sind und verdeutlicht die Grenzen des Fortschritts.

Eine lesenswerte Rezension zum Buch fand ich im Online-Geschichtsmagazin GeschiMag von Wolfgang Schwerdt.

Nominiert als Wissensbuch des Jahres 2019 in der Kategorie Überblick

Alice Roberts: Spiel des Lebens – Wie der Mensch die Natur und sich selbst zähmte
Originaltitel: Tamed: Ten Species that changed our World
Aus dem Englischen von Susanne Schmidt-Wussow
wbg Theiss Verlag 2019, 374 Seiten
ISBN 978-3-8062-3883-9
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9 Kommentare

  1. Pingback:Vorfreuden für Leseratten II Frühjahr 2019 | Elementares Lesen

  2. Und wieder was für die wishlist gefunden, dankeschön .

  3. Weißt du zufällig den Originaltitel? Bin gerade irgendwie zu doof den herauszufinden.

  4. Nö, muss ich nicht lesen….

    … hab ich nämlich schon gelesen und fands klasse.

  5. Pingback:Wissensbuch des Jahres 2019 – Die Nominierungen | Elementares Lesen

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