Annaka Harris: Das Bewusstsein – Annäherung an ein Mysterium

Cover Harris Das Bewusstsein

© riva

Verfügen wir über ein Bewusstsein? Nehmen wir die Welt so wahr, wie sie ist? Oder leben wir in einer Illusion? Die amerikanische Autorin Annaka Harris hat ein anregendes Büchlein dazu geschrieben: Das Bewusstsein – Annäherung an ein Mysterium.

Warum gibt es im Universum Ansammlungen von Materie, die ein Bewusstsein entwickelt haben? Haben Tiere ein Bewusstsein? Vielleicht auch Bäume? Woher nehmen wir die Gewissheit, dass unsere Wahrnehmung mit der Wirklichkeit übereinstimmt? Die Autorin nimmt uns mit auf eine spannende Reise zu einzelnen Aspekten des Bewusstseins. Sie macht uns mit Ideen aus den Neurowissenschaften und der Philosophie vertraut: zu Wort kommen u.a. der Philosoph Thomas Nagel, die Philosophin Rebecca Goldstein, der Philosoph und Kognitionswissenschaftler David Chalmers und der Neurowissenschaftler David Eagleman. (Von Eagleman habe ich hier bereits einige Bücher vorgestellt: The Brain und Kreativität, zusammen mit Anthony Brandt.)

Wozu brauchen wir ein Bewusstsein, wenn es auch ohne geht? Denn das Bewusstsein und unsere Wahrnehmung der Realität sind definitiv nicht das, was sie zu sein scheinen. Die Hirnforschung konnte in vielen Experimenten feststellen: Noch bevor wir verstehen, was passiert, handelt bereits unser Körper. Erst durch das sogenannte Binding werden verschiedene Sinneseindrücke im Gehirn zu einem Ganzen verknüpft, zu einer konsistenten Wahrnehmung.

Und was ist mit dem Einfluss von Parasiten auf unsere Gefühlswelt und unser Verhalten? Haben wir überhaupt einen freien Willen, wenn Einzeller wie Toxoplasma gondii sich da einmischen? Bei der Meditation lassen sich besondere Bewusstseinszustände herbeiführen – die Wahrnehmung wird verändert. Welchen Aufschluss können diese Veränderungen über das Rätsel des Bewusstseins geben?

Faszinierend ist auch die Auseinandersetzung der Autorin mit der Theorie des Panpsychismus. Diese geht davon aus, dass alle Materie, nicht nur wir Menschen, mit einem Bewusstsein ausgestattet ist – sogar Bakterien oder Atome. Könnte also auch eine Künstliche Intelligenz oder ein Roboter ein Bewusstsein haben? Obwohl der Panpsychismus vielen als unwissenschaftlich gilt, setzt sich Harris unvoreingenommen mit ihm auseinander, um Antworten auf zentrale Fragen des Bewusstseins zu erhalten. Sehr erfrischend!

Das Bewusstsein von Annaka Harris ist kein erschöpfendes Buch zum Thema. Doch es gibt einen knackigen Überblick, geleitet von den persönlichen Interessen und Zweifeln der Autorin. Es steckt voller Überraschungen und liefert gute Denkanstöße!

Annaka Harris: Das Bewusstsein – Annäherung an ein Mysterium
Aus dem Amerikanischen von Peter Peschke
riva Verlag 2020, 144 Seiten
ISBN 978-3-7423-1203-7 gebunden
ISBN 978-3-7423-2366-8 Taschenbuch
Leseprobe

#buylocal #supportyourlocalbookstore

Beitrag empfehlen

9 Kommentare

  1. Die Idee des Panpsychismus hat schon etwas.
    Bei den Leistungen von Insekten muss man sich schon fragen, ob ihnen nicht Bilder helfen, ihre Entscheidungen zu treffen. Etwa ihre eigenen Schatten als ungefährlich einzustufen.
    Ein Regelwerk könnte das auch für sie leisten, doch scheint mir das dann komplexer als mit gespeicherten “Bildern” umzugehen.

    • Das ist eine spannende Frage! Die Autorin weist darauf hin, dass komplexes Verhalten noch kein Hinweis auf ein dahinter stehendes Bewusstsein ist. Auch bei Pflanzen deutet ja vieles auf eine ausgetüftelte Wahrnehmung und intelligentes Verhalten hin. Aber kann man das schon Bewusstsein nennen? Wird nicht einfach nur auf Reize reagiert? Es ist interessant, sich auf die Gedanken in diesem Buch einzulassen!

      • Harald Fischer

        Hallo, Frau Wiemann ! Stockheim, 23.6.2021
        Eben fand ich diese Seite, gestern schrieb mich Frau Harris an, aber ob das noch jemand liest ?
        Alle Geschöpfe haben ein Bewusstsein, auch Pflanzen.
        Das Bewusstsein ist die Anwesenheit des Lebenshirns, eine bessere Erklärung fand ich nicht. Es ist dem Welthirn untergeordnet.
        Solange ein Geschöpf existiert, ist es mit dem Lebenshirn verbunden.
        Am 16.7.2019 war diese Meldung im Netz, vielleicht noch zu finden ?
        Sydney. Ein von mehreren Angelhaken unter dem Auge verletzter Manta-Rochen bittet Taucher um Hilfe. Bevor er losschwamm, bekam er vom Lebenshirn die Meldung : Dir wird geholfen. Vom Taucher wusste es wahrscheinlich, dass er hilft.
        Alle Geschöpfe haben ein Überhirn, dass verantwortlich ist, eine Seele zu seinem Schutz und ein Gehirn, das die Arbeit macht, also auch Pflanzen. Das Lebenshirn verzichtet nicht an einer Stelle auf etwas, das sich überall sonst bewährt hat.
        Nur eine Kurzfassung. Herzliche Grüße, Harald Fischer.

  2. Ein berühmtes Experiment ist ja das bemerken eines roten Flecks im Spiegelbild und anschl.
    der Reinigungsversuch des Tieres an sich selbst.

    • Du meinst den Spiegeltest, der in der Verhaltensforschung eingesetzt wird. Darüber habe ich schon einiges gelesen. Spannend!

      • Ja, den.
        Irgendjemand hatte mir einen engl. Artikel geschickt, daß der auch mit Ameisen funktioniert hätte. Doch war ich damals sehr skeptisch und bin es auch heute noch.
        Irgendwie schwer vorstellbar.

  3. Bei Richard David Precht “Eine Geschichte der Philosophie” lese ich gerade auch einiges über die Genese der Bewusstseinsforschung bei den Philosophen. Natürlich sind da die modernen Philosophen, wie David Chalmers auf dem neuesten Stand und haben sicherlich die Klassiker auch verinnerlicht. Dennoch sei in diesem Zusammenhang die Arbeit von May Scheler “Zur Phänomenologie und Theorie der Sympathiegefühle und von Liebe und Hass, 1913” am Rande erwähnt. Auch andere Philosophen um die Jahrhundertwende zum 20. Jhd. haben sich mit der Frage nach dem menschlichen Bewusstsein befasst.

    Persönlich halte ich große Stücke auf die Idee des Panpsychismus. So in etwa kann ich mir die Wahrnehmung von Lebewesen aber auch Maschinen, Computern vorstellen. Die Frage, die ich mir dabei stelle ist nicht, ob diese Lebewesen und Dinge ein Bewusstsein haben, sondern wie es beschaffen ist.

    Unter uns Menschen haben die Individuen unterschiedliche Wahrnehmung und unterschiedliches Bewusstsein. Vincent van Gogh dürfte die Dinge zumindest stellenweise, so wahrgenommen haben, wie moderne Wissenschaftler auf LSD, was ihm als psychotisch ausgelegt wird.
    Ich arbeite mit behinderten Kindern, die allesamt Defizite in der Wahrnehmung und im Bewusstsein aufweisen. Einige von ihnen können kognitiv nichts erfassen, wieder andere – allem voran die hochfunktionalen Autisten – haben eine selektive Wahrnehmung, manche Dinge nehmen sie viel deutlicher und präziser wahr, andere gar nicht.

    Eine diffizile Thematik und höchst interessant.

    • Sehr geehrter Herr Lupa ! Stockheim, 1.12.2023
      Sie waren heute in meinem Briefkasten. Ich habe Frau Harris ein paar mal geschrieben, kaufte mir daraufhin auch dieses Buch, aber auf meine Antwort ist sie nicht eingegangen.
      Das Bewusstsein ist kein Mysterium.
      Es ist eine ganz natürliche Einrichtung, es gehört zum Leben
      und existiert so lange es das gibt. Es hätte also eine Seite genügt.
      Wenn Herr van Lommel sein Buch, „Das ewige Bewusstsein “ nennt, so stimmt das auch nicht ganz, es entstand mit dem Leben, hat also einen Anfang. Herr Chalmers schrieb : Das Bewusstsein basiert zwar auf den materiellen Gegebenheiten des Gehirns, lässt sich aber nicht darauf reduzieren. Vielleicht können wir Bewusstsein eines Tages erklären.
      Ich schrieb ihm, das Bewusstsein hat nichts mit dem Gehirn zu tun.
      Natürlich auch keine Antwort.
      Das Journal “ Resuscitation “ schrieb einen schönes Satz : Es ist der Wissenschaft bis heute nicht gelungen, eine Erklärung dafür zu finden, wie das Bewusstsein vom Gehirn erzeugt wird ? Das sind alles studierte Leute. Das Bewusstsein ist erdumfassend, wird aber bei diesen Leuten in dem kleinen Gehirn erzeugt. Darauf muss man erstmal kommen. Herzliche Grüße und viel Kraft für Ihre Arbeit mit den Kindern.

      • Sehr geehrter Herr Fischer,

        vielen Dank für Ihren Kommentar.

        Wenn Sie keine Antwort von den großen Leuten bekommen, so bin mindestens ich als “kleiner Mann” eine schuldig (auch ich bekomme von den meisten Autoren, die ich anschreibe keine Antwort; z.B. Precht).

        Das Bewusstsein ist für mich ein Phänomen. Sie bringen mich da allerdings auf einen interessanten Gedanken. Könnte es sein, dass eine Zentralinstanz im Universum, z.B. das schwarze Loch in der Mitte unserer Galaxis (und darüber hinaus das schwarze Loch in Mitten des Universums, um das sich alle Billionen von Galaxien drehen) so etwas wie das absolute Bewusstsein ist (stellvertretend für einen zwar zeitlich begrenzten und sicherlich nicht “allmächtigen” und “allanwesenden”, vor allem aber nicht “allgerechten” Gott)?
        Dann wäre es vielleicht so, wie mit meinem Rechner zu Hause, der praktisch das Äquivalent für ein menschliches Individuum an die größeren Server angeschlossen ist, und so an Daten/Informationen herankommt. Gleichwohl könnte der einzelne Mensch sein Bewusstsein an diese Zentralinstanz anschließen, es durch Meditation und ihr folgende Kontemplation erweitern und so Informationen, Sinneseindrücke, Wahrnehmungen empfangen. Sicherlich spielt stellvertretend unsere Sonne eine Rolle. So wie auch unsere Planeten und Himmelskörper. Damit spiele ich aber auf kein astrologisches Wissen an.

        Das aber nur so eine Theorie am Rande. Das meiste an Wissen und Bewusstheit ziehe ich persönlich immer noch aus dem Dialog mit meinen Mitmenschen und Mitlebewesen (ich lebe mit fünf Katzen), wozu auch Bücher gehören. Wie Precht sagte: “Lesen ist Denken mit anderem Gehirn”.
        Apropos Gehirn. Ob das Bewusstsein losgelöst ist von Gehirn, ist eine gute Frage. Es kommt mir tatsächlich so vor, als ob es das wäre. Es gibt wohl eine transzendente Form von Bewusstsein, die praktisch durch unsere Gehirne gefiltert wird. Die Informationen laufen durch das Gehirn, um ein Abbild des allumfassenden Bewusstseins in unserer Gegenwart des Jetzt zu erzeugen, angereichert durch die Schichten an Erinnerung, Reflexion und auch Modulation durch unsere Vorstellungskraft. Bewusstsein scheint mir eine Melange aus Eindrücken, Erinnerungen und Gegenwart des Universums/der uns umgebenden Natur. Im Winter ist es eher still, wie jetzt gerade, im Frühling reizt es unsere Sinne aber auch Triebe. Sie beginnen zu sprießen. So auch die Gedanken.

        Womit beschäftigen Sie sich, wenn es erlaubt sei zu fragen?

        Herzliche Grüße
        Marcin Lupa

Schreibe einen Kommentar zu Petra Wiemann Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert