David Blatner: Extremwelten – Unser unfassbares Universum von unendlich klein bis unendlich

9783827011268_300Unser Universum ist ein Ort der physikalischen Extreme. Dort gibt es sehr große und extrem kleine Dinge, unfassbar heiße oder kalte Orte, Geräusche jenseits unserer Wahrnehmung. Mit unseren menschlichen Sinnen sind wir gar nicht in der Lage, all diese Phänomene zu begreifen. Um uns in unserer Lebenswelt zurecht zu finden, verorten wir die Dinge daher in einem Spektrum (“Spectrums” ist auch der Titel der Originalausgabe). Ein 32 Grad heißer Sommertag kommt uns sehr heiß vor. Doch es gibt Orte in unserer Welt, die noch viel heißer sind: schon im Inneren unseres Planeten herrschen Temperaturen von über 6.000 Grad. David Blatner beschreibt die immense Bandbreite unseres Universums und erklärt, wie mit Hilfe wissenschaftlicher Methoden versucht wird, unsere Grenzen zu überwinden und diese Extreme auszuloten. In seinem Buch werden 6 wichtige physikalische Spektren auf äußerst unterhaltsame Art beschrieben: Zahlen, Größe, Licht, Schall, Wärme und Zeit. Dazu gehören die verschiedenen Maßeinheiten und ihre unbegreiflichen Extremwerte.
Mit seinem Buch möchte Blatner auch Nicht-Physikern die physikalischen Phänomene begreiflich machen. Seine Methode beschreibt er im Interview mit den Worten: “downsize to my Level”. Damit wird eine Vergleichsmöglichkeit oder Annäherung an den menschlichen Maßstab geschaffen.

Oft hat der menschliche Körper die Grundlage einer Maßeinheit gebildet: zum Beispiel beim Rechnen in 10er-Schritten, welche der Anzahl der Finger entsprechen oder bei der Berechnung von Längenmaßen in Elle und Fuß. In einer immer komplexer werdenden Welt und bei zunehmendem Wissen über ihre wahre Beschaffenheit reichten diese Maße aber nicht mehr aus. Um große Zahlen besser handhaben zu können, wurden sie zu Gruppen gebündelt, z.B. 60 Sekunden zu einer Minute, 60 Minuten zu einer Stunde usw.. Inzwischen können wir die Welt vom allerkleinsten bis zum allergrößten vermessen. Neue Einheiten wie die Planck-Zeit oder der Femtometer, Lichtjahre oder Parsec wurden geschaffen, um die gigantischen Einheiten zu vereinfachen und damit besser rechnen und wissenschaftlich arbeiten zu können.

David Blatner verwendet viele Beispiele, um uns diese Dimensionen begreiflich zu machen:

Eine Million Sekunden sind rund anderthalb Wochen. Eine Milliarde Sekunden sind 30 Jahre, die Ihnen lang erscheinen mögen, bis Sie sich klarmachen, dass die Neandertaler vor etwa einer Billion Sekunden (30.000 Jahren) auf der Erde wandelten.

Ebenso faszinierend ist die Vorstellung, dass das menschliche Haar langsamer wächst als sich ein Gletscher bewegt. An anderer Stelle rückt der Autor unseren Eindruck von unermesslicher Entfernung zurecht:

Tatsächlich ist der Abstand zwischen Erdoberfläche und Internationaler Raumstation geringer als die Bahnstrecke New York – Washington, rund 350 Kilometer.

Das ist doch gar nicht so weit. – Im Kapitel über Wärme erfahren wir, dass Kälte eigentlich gar nicht existiert, denn bei Kälte ist es lediglich weniger warm, verursacht dadurch, dass die  Atome oder Moleküle weniger in Bewegung sind. Es ist alles eine Frage der Perspektive!

Spielend gelingt es Blatner, den Dualismus von Licht als Teilchen und Welle zu erklären. Und das Kapitel über die Zeit leitet er ein durch ein Zitat von Steve Miller: “Time keeps on slippin`… into the future” – schon habe ich den dazugehörigen Song “Fly like an eagle” im Ohr, eine perfekte Einstimmung.

Vor allem teilt sich immer wieder die Begeisterung des Autors für sein Thema mit, wenn auch angesichts der vielen Vergleiche und Analogien gelegentlich meine Vorstellungskraft auf der Strecke blieb. Meistens bin ich dem Autor aber gebannt gefolgt. David Blatner schafft es, uns die Augen zu öffnen auch für die Dinge, die wir nicht wahrnehmen können und so die Welt besser zu verstehen. Wir Menschen – unendlich groß im Verhältnis zu den Mikroorganismen, die uns umgeben, aber unendlich winzig im Vergleich zu den Weiten des Weltalls. Dieses Buch steckt voller faszinierender Informationen, die sich nicht immer beim ersten Lesen erschließen. Aber es lohnt sich, das Buch immer wieder zur Hand zu nehmen und jedes Mal etwas mehr zu begreifen. Abgerundet wird das Lesevergnügen durch ein gelungenes Layout, farblich abgehobene Grafiken und Zitate berühmter Wissenschaftler und Künstler zu den jeweiligen Themen.

David Blatner: Extremwelten
Aus dem Englischen von Hainer Kober
Berlin Verlag 2013
ISBN 978-3-8270-1126-8

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7 Kommentare

  1. So wie Du es beschreibst, eine wahre Fundgrube, um das Gefühl für große (und kleine) Zahlen zurück zu bekommen… Milliardenverluste in der Wirtschaft, tonnenweise CO2 irgendwo, wo es nicht hingehört, Geschwindigkeiten, die einen taumeln lassen. Danke für den Einblick ins Buch!

  2. liebe petra, erst einmal herzlichen dank für diese buchvorstellung. darf ich etwas kritisches dazu anmerken?

    ich habe bei solchen büchern (ich habe heute selbst eine rezi über ein buch geschrieben, das sich mit dem beweis des fermatschen satzes befasst und da ist mir ähnliches untergekommen) immer das problem, daß die vereinfachung, das down-sizen, oft zu aussagen führt, die kritisch sind, wenn nicht gar falsch…
    kälte existiert nicht nur eigentlich nicht, sie existiert überhaupt und definitiv nicht. es sind auch nicht weniger moleküle etc in bewegung, sondern es bewegen sich nach wie vor alle moleküle – nur mit geringerer kinetischer energie (vulgo: weniger (schnell))… auch hat der neandertaler in einer zeitspanne gelebt, nicht zu einem zeitpunkt…. alles aussagen, die sich durch eine sorgfältigere formulierung richtig(er) fassen ließen….
    das zerstört bei mir das vertrauen in das buch: manche ungenauigkeiten merke ich, aber was übersehe ich? wo lasse ich mir was unterjubeln? mein mathe-autor z.b. behauptete ohne einschränkende randbedingungen, alle rechtwinkligen dreiecke im universum (!) würden dem satz des pythagoras unterliegen… hat der noch nie einen globus gesehen, oder eine apfelsine geschält?
    ich hoffe, du nimmst mir meine anmerkungen nicht übel, sie sind nicht böse gemeint…. ;-)

    herzliche grüße
    fs

    • Lieber Gerd,
      selbstverständlich ist Kritik erwünscht. Vor allem, wenn du sachliche Ungenauigkeiten findest, die mir und nicht dem Autor zuzuschreiben sind! Die Formulierung mit den Molekülen habe ich etwas verändert, so dass sie jetzt hoffentlich korrekt ist. Der Autor schreibt dazu unter anderem:

      Wenn Wärme Bewegung ist (was sie ist, wie wir wissen), gibt es wissenschaftlich gesprochen, keine “Kälte”. … Wenn wir einen Stoff abkühlen, entziehen wir ihm Energie, indem wir den Molekülen ermöglichen, in festen Strukturen zur Ruhe zu kommen.”

      Daraus habe ich dann einfach weniger Moleküle gemacht – also ganz klar mein Fehler, da meine Notizen zu ungenau waren. Wenn ich jetzt den Text des Autors erneut lese, bin ich wieder fasziniert von seiner eleganten Art, diese Zusammenhänge zu erklären.
      Ich halte das Downsizen generell für eine gute Methode, um Laien an eine Materie heranzuführen, mit der sie sich nicht auskennen, einfach um einen Zugang zum Thema zu finden. Blatner bedient sich dieser Methode, bietet aber auch die korrekten Erläuterungen dazu. Ich bin sicher, wenn du seinem Buch eine Chance gibst, wirst du das auch so sehen. Und es ist ein Genuss, es zu lesen!
      Bitte bleibe bei deiner kritischen Lektüre und mache mich auf Fehler aufmerksam! Ich kann nicht alle Fakten checken, bevor ich über ein Buch berichte. Dafür ist der Anteil dessen, was mir unbekannt ist, leider zu groß. Aber ich bemühe mich zu lernen und es exakt darzustellen ;-).
      Jetzt bin ich aber schon sehr gespannt auf deinen Beitrag über Fermats letzten Satz. Bei dem Thema würde ich mangels mathematischer Kenntnisse noch mehr ins Schwimmen geraten.
      Herzliche Grüße,
      Petra

  3. Pingback:Wissensbuch des Jahres 2013 - Die Nominierungen – Elementares Lesen

  4. Michael Groepper

    Mir macht die Lektüre des Buches wenig Vergnügen, weil man sich auf kaum eine der vom Autor angegebenen Zeit verlassen kann. Ein besonders gutes Beispiel ist die Seite 137, auf der mindestens vier Zahlen falsch sind (100 K, 50.000 mal größer, 2 Millionen K, 6 Millionen K). Wie soll man ein Buch positiv bewerten, dessen Hauptgegenstand – Dimensionen und Zahlen – so nachlässig behandelt wird?

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