Eric Cline: Versunkene Welten und wie man sie findet

Cover Cline Versunkene Welten

© DVA

Schon mit sieben Jahren träumte Eric Cline davon, Archäologe zu werden. Inzwischen arbeitet er seit 35 Jahren in diesem Beruf und war an mehr als 30 Ausgrabungen, vor allem in Griechenland und im Nahen Osten, beteiligt. Sein profundes Wissen über die Geschichte und Methoden der Archäologie teilt er im Buch Versunkene Welten und wie man sie findet. Es basiert auf seinem Einsteiger-Kurs an der George Washington University und ist vollgestopft mit interessanten Geschichten!

Von Pionieren der Archäologie
Uralte Schriftrollen, Reiseberichte und Schriften antiker Historiker, und die Bibel – sie zählten in der Frühzeit der Archäologie zu den wichtigsten Quellen. Die Pioniere nutzten diese Texte, um legendäre Orte und ihre Schätze zu finden. In diesem Buch nehmen wir an ihren Entdeckungen teil und lernen aus ihren Fehlern.

Wir begegnen Heinrich Schliemann bei seinen Ausgrabungen in Troja und Mykene. Durch rücksichtslose Grabungen zerstörte er die Stratigrafie, die Schichtfolge mehrerer Siedlungen, die übereinander lagen. Fehldeutungen waren die Konsequenz. Arthur Evans erforschte die Geschichte der Minoer. Wir erleben ihn bei seiner haarsträubenden Rekonstruktion des Palasts von Knossos auf Kreta. Ein magischer Moment: als Howard Carter das Grab des Pharaos Tutanchamun in Ägypten öffnet und “wunderbare Dinge” erblickt. Wir machen mit dem Autor einen Spaziergang durch Delphi, besichtigen die berühmte Terracotta-Armee in China und schauen uns die Überreste der biblischen Stadt Armageddon an. Dort lagern die Schichten von mindestens 20 Siedlungen übereinander! Ob Kriege oder Katastrophen ihren Untergang verursachten, ist kaum aufzuklären.

Werkzeuge, Keramiken und Schmuckstücke geben wertvolle Hinweise auf den Alltag der Bewohner und ihre Handelsbeziehungen. Die Datierung und Interpretation dieser Fundstücke ist auch heute noch kompliziert, wie Cline deutlich macht, und führt immer wieder zu Kontroversen.
Aus den Fehlern der Pioniere hat die Archäologie gelernt. Heute bewegt man sich an den Fundstätten nach klaren Regeln, um den Kontext nicht zu zerstören. Nur so sind gesicherte Erkenntnisse über die Geschichte vergangener Epochen möglich.

Kurzer Ritt durch die Geschichte der Menschheit
Anhand bedeutender Fundstätten streift der Autor durch einige Epochen der Menschheitsgeschichte: Er berichtet von Knochen des Homo Naledi in einer südafrikanischen Höhle, die auf den Ursprung der Menschheit verweisen; von der geheimnisvollen Kultstätte Göbekli Tepe und dem Beginn der Landwirtschaft in Mesopotamien; von der Bronzezeit im Mittelmeerraum und der Suche nach Atlantis. Spannend sind auch die Einblicke in die Unterwasserarchäologie. Der Fund des sagenhaften Schiffs von Uluburun, das 1.300 v.Chr. gesunken war, verrät viel über die Handelsbeziehungen im Mittelmeerraum zur Zeit seines Untergangs. Die Wiederentdeckung vieler Maya-Stätten wie Palenque, Copán und Chizén Itzá leitete die Archäologie der Neuen Welt ein, die sich den mittelamerikanischen Hochkulturen und ihrem Verschwinden widmet. Statt sich mühsam durch den undurchdringlichen Dschungel zu schlagen, wird der Regenwald heute mittels LiDAR, einer Methode der Laserortung, vermessen und nach weiteren Stätten durchsucht.

Eric Cline verknüpft die Fundorte und Objekte mit der Geschichte und dem Alltag der Bewohner, allerdings ohne in die Tiefe zu gehen. In einigen Abschnitten verliert er sich  in der Chronologie der Grabungen und Funde. Diese Aneinanderreihungen sind äußerst ermüdend. Doch insgesamt überwiegen die lebendigen Schilderungen aus der archäologischen Forschung.

Praxis der Archäologie
In mehreren Einschüben widmet sich Eric Cline besonders häufig gestellten Fragen zu praktischen Aspekten seiner Arbeit, zum Beispiel, woher Archäologen wissen, wo man gräbt, wie man gräbt, und wie man das Alter eines Fundes bestimmt. Archäologische Fachbegriffe erklärt der Autor ganz nebenbei. Ein Schlüsselbegriff ist das Survey, die Geländeerkundung als Grundlage für alle weiteren Arbeitsschritte. Auch mit seinem Lieblingswerkzeug macht Cline uns vertraut: einer Kelle, Truffel genannt, die älter ist als seine Studenten, wie er scherzhaft bemerkt, und seinem unverzichtbaren Set ausrangierter Zahnarztwerkzeuge für die filigranen Arbeiten. Alles wird mit konkreten Beispielen aus Clines Feldarbeit untermauert. Man ist beim Abschreiten von Transekten dabei, und beim richtigen – und falschen – Gebrauch der Werkzeuge, inklusive Verletzungsgefahr. Absolut informativ und humorvoll erzählt!

Fazit
Die Archäologie hilft uns, das Wissen um unsere Geschichte und das kulturelle Erbe der Menschheit zu bewahren. Darum ist sie unverzichtbar, meint Eric Cline. In seinem Buch Versunkene Welten und wie man sie findet teilt der Autor seine Leidenschaft für diese Wissenschaft. Er gibt faszinierende Einblicke in die praktische Arbeit im Feld, in die Lebensweisen alter Kulturen und die Wandlung der Archäologie im Laufe der letzten Jahrhunderte. Alle im Buch beschriebenen Fundstätten sind auf zwei Karten verzeichnet. Außerdem enthält es zahlreiche Illustrationen, die direkt einem Feldtagebuch entstammen könnten – besser als Fotografien! Das Buch ist eine Bereicherung für Geschichtsinteressierte!

 

Eric Cline: Versunkene Welten und wie man sie findet – Auf den Spuren genialer Entdecker und Archäologen
Aus dem Englischen von Cornelius Hartz
DVA 2018, 528 Seiten, mit Illustrationen von Glynnis Fawkes
ISBN 978-3-421-04801-1
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5 Kommentare

  1. Pingback:Vorfreuden für Leseratten III Frühjahr 2018 | Elementares Lesen

  2. Liebe Petra, das war eins meiner Lieblingsbücher letztes Jahr, schön auch bei dir darüber zu lesen!
    Viele Grüße
    Esther

  3. Heinrich Schliemann’s Büste fand ich jüngst in Schwerin. Ich konnte mir doch damals auf Anhieb die Verortung seines Namens vergegenwärtigen.

    Für mich nachwievor ein Edelstein im Zusammenhang deiner Rezi hier:
    Eine Geschichte der Welt in 100 Objekten von Mac Gregor.
    Wir hatten uns ja schon mal darüber unterhalten!

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