Jonathan Drori/Lucille Clerc: In 80 Bäumen um die Welt

Cover Drori In 80 Bäumen

© Laurence King Verlag

Was wäre die menschliche Kultur ohne Bäume? Ohne Musikinstrumente aus Holz, ohne die vielen Produkte aus dem Milchsaft der Bäume? Ohne die Heil- und Nahrungsmittel aus ihrer Rinde oder den Früchten? Ohne ihre Schönheit und all die Geschichten, die sich um sie ranken?

Jonathan Drori, ein britischer Botaniker und ehemaliger Verwalter der Royal Botanic Gardens in Kew, zeigt uns in seinem lesenswerten Buch In 80 Bäumen um die Welt die Fülle der Verbindungen zwischen Bäumen und Menschen. In London startet er gen Osten und durchreist alle Regionen und Klimazonen, in denen Bäume gedeihen. Er porträtiert 80 Baumarten und erzählt bemerkenswerte Geschichten über die Bedeutung dieser Bäume in der Geschichte der Menschheit und über ihre Überlebensstrategien.

Viele Länder haben einen Nationalbaum, der einen hohen emotionalen Stellenwert besitzt und besonders verehrt wird. Für die Finnen ist es die sagenumwobene Hänge-Birke mit ihrem heilkräftigen Saft und ihrem Harz. In Indien gilt der Bobaum, unter dem einst Siddharta Gautama Buddha erleuchtet wurde, als heilig. Die robuste und vor Jahrtausenden weit verbreitete Zeder, der Nationalbaum des Libanon, gilt als Symbol der Ewigkeit, ist aber dort mittlerweile durch Abholzung bedroht.

Während der Kleinen Eiszeit ab dem 15. Jahrhundert wuchsen die Bäume Europas besonders langsam. Das galt auch für die Fichte in den Italienischen Alpen. Ihr hartes Holz eignete sich perfekt für Saiteninstrumente. Daraus wurden die berühmten Geigen von Stradivari und Guarneri gefertigt. Es war das “Goldene Zeitalter des Geigenbaus”.

Die Pycnandra acuminata oder auch Sève bleue aus Neukaledonien betreibt Hyperakkumulation, die Anreicherung von Metallen. Indem sie Nickel aus dem Boden einlagert, schützt sie sich vor räuberischen Insekten. Ihr metallhaltiger Milchsaft ist blaugrün.

Wie hoch kann ein Baum eigentlich wachsen? Mit 115 Metern ist der kalifornische Küstenmammutbaum “Hyperion” der größte Baum der Welt. Die absolute Grenze liegt jedoch bei etwa 120 Metern, begrenzt durch die Gesetze der Physik. Aufgrund der entgegenwirkenden Schwerkraft kann das Wasser in den Leitungsbahnen eines Baums nicht höher transportiert werden.

Der Mopane, der in Simbabwe wächst, zieht scharenweise Nachtfalter der Art Gonimbrasia belina an. Deren fette Raupen sind “etwas größer als ein menschlicher Mittelfinger”, schreibt Jonathan Drori. Die Illustratorin Lucille Clerc hat sie zum Größenvergleich in zwei menschlichen Händen liegend gezeichnet – sie bilden eine proteinreiche Kost für Millionen Menschen.

In 80 Bäumen um die Welt ist eine Fundgrube von Geschichten, in denen Botanik und Kulturgeschichte vereint sind. Besonders hervorzuheben ist auch die schöne Gestaltung des Bandes! In den zarten Abbildungen der Illustratorin Lucille Clerc sind nicht nur pflanzliche Merkmale zu bewundern. Sie arbeitet auch Elemente aus Droris Geschichten heraus: Menschen, die mit den Bäumen verbunden sind, bei der Ernte der Früchte, bei ihren Zeremonien. Wir sehen, wie der Milchsaft zum Fließen gebracht wird und wie die Schätze der Bäume verarbeitet werden. Auch die tierischen Bewohner und die Umwelt der Bäume gehören dazu. Mit sanften, erdigen Farben fängt Lucille Clerc die Schönheit der Bäume perfekt ein.

Jonathan Drori widmet sich heute als Kurator des Woodland Trust und des botanischen Gartens The Eden Project dem Schutz alter Wälder. Der Besuch von botanischen Gärten ist für ihn eine Chance, die Vielfalt der Bäume aus aller Welt zu entdecken. Das legt er auch uns Lesern ans Herz. In 80 Bäumen um die Welt ist der perfekte Beginn dieser Reise.

Jonathan Drori: In 80 Bäumen um die Welt
Aus dem Englischen von Bettina Eschenhagen und Ulrich Korn
Laurence King Verlag 2018, 256 Seiten mit 80 farbigen Abbildungen von Lucille Clerk
ISBN 978-3-9644-016-9 gebundene Ausgabe
ISBN 978-3-96244-224-8 Taschenbuch

Publikums-Gewinner als Wissensbuch des Jahres 2018 in der Kategorie Ästhetik

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6 Kommentare

  1. Der Band liegt bei mir schon bereit. Ich denke, es ist jenes dieser Bücher, die man immer wieder zur Hand nehmen kann, einfach um darin zu blättern und zu staunen. Viele Grüße

  2. Oh, danke für die Vorstellung! Ich komme aus einer Schreiner-Dynastie (Opa Schreiner, Vater Schreiner, Bruder Schreiner…) und das hört sich nach dem idealen Weihnachtsgeschenk an!

    • Ja, das passt sehr gut, denn schließlich geht es auch um die Qualitäten der verschiedenen Hölzer und um die Produkte, die daraus hergestellt werden können.

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