Kuscheln mit Oktopoden

Cover Montgomery Oktopus

© Mare

Oktopoden, oder auch Kraken, sind intelligente und geschickte Meeresbewohner. Sie sind kontaktfreudig und sehr verspielt. Verfügen sie über ein Bewusstsein und vielleicht sogar über eine Seele? Die amerikanische Naturforscherin und Sachbuch-Autorin Sy Montgomery ist davon überzeugt. In ihrem preisgekrönten Buch Rendezvous mit einem Oktopus erzählt sie von ihren beglückenden Begegnungen mit diesen faszinierenden Tieren.

Im New England Aquarium in Boston durfte sie Tierpfleger und Forscher bei ihrer Arbeit begleiten und Kontakt zu den Oktopoden Octavia, Kali und Karma aufnehmen, und zwar buchstäblich! Denn die Tiere waren meist ebenso neugierig auf die Menschen wie umgekehrt. Mit ihren acht Armen und den empfindlichen Saugnäpfen berührten sie ihre Bezugspersonen und versuchten offenbar deren Wesen zu ergründen. Sie reagierten auf fremdartige Geschmäcke wie Tabak oder Medikamente. Die Berührung durch ihre Tentakel kann mal zärtlich, mal auch schmerzhaft sein, Knutschflecke inbegriffen. Im Laufe vieler Besuche entstanden intensive Bindungen zwischen Montgomery und den Tieren, die durchaus nicht jeden Menschen leiden können.

Voller Anteilnahme erzählt Montgomery vom Leben und Sterben der Oktopoden, die sie als freiwillige Helferin im Aquarium kennenlernte. Sie ist fasziniert von ihren spektakulären Farbwechseln, welche verschiedenen Zwecken wie der Tarnung oder der Kommunikation dienen. Oft lässt die Hautfarbe auf den Gesundheitszustand und die Laune dieser Individuen schließen. Bei Aufregung werden manche Tiere tatsächlich rot! Montgomery traf sehr unterschiedliche Charaktere, doch Langeweile ertrug kein Krake. Die Tierpfleger setzten alles daran, ihre Behältnisse ausbruchssicher zu gestalten und ihnen genug Abwechslung zu bieten. Genau charakterisiert Montgomery die engagierten Menschen im Aquarium, geht auf deren Lebensumstände ein und beschreibt die Herausforderungen, die die Arbeit mit diesen intelligenten und empfindsamen Tieren bedeutet.

Montgomery nahm sogar Tauchunterricht, um Oktopoden in ihrer natürlichen Umgebung zu erleben. Sie begleitete Meeresforscher und sprach mit ihnen über die neuesten Erkenntnisse, die durch Intelligenz- und Persönlichkeitstests bei Kraken und anderen Tintenfischen gewonnen wurden. Ihr Verhalten deutet nach Meinung der Autorin auf Bewusstsein und ein reiches Seelenleben hin. Das zeigt sich u.a. in ihren starken Reaktionen auf Menschen, ihrer engagierten Brutpflege und vor allem in ihrem ausgeprägten Einfühlungsvermögen:

Von allen Lebewesen auf unserem Planeten, die sich in die Gedanken anderer Lebewesen hineinversetzen, ist es der Tintenfisch, der das am besten können muss. Ohne diese Fähigkeit würden all die vielen lebensrettenden Täuschungen nicht aufgehen. Ein Tintenfisch muss viele Arten von Fressfeinden und eigenen Beutetieren davon überzeugen, dass er eigentlich ganz etwas anderes ist. Sieh nur, ich bin ein Tintenklecks. Nein, ich bin eine Koralle. Reingefallen, ich bin ein Felsbrocken!

 

Das Buch Rendezvous mit einem Oktopus ist eine Liebeserklärung an diese faszinierende Spezies, die uns noch viele Rätsel aufgibt. Montgomerys Schilderungen geraten teilweise sehr emotional. Darauf muss man sich einlassen. Doch sie vernachlässigt zum Glück nicht die wissenschaftliche Seite und fängt wunderbar die Charaktere dieser Tiere ein. Sind sie seelenlos? Unvorstellbar!

Sy Montgomery: Rendezvous mit einem Oktopus
Aus dem Amerikanischen von Heide Sommer
Mare Verlag 2017, 336 Seiten
ISBN 978-3-86648-265-4 gebunden
ISBN 978-3-257-24453-3 Taschenbuch
Leseprobe

Wissensbuch des Jahres 2018 in der Kategorie Unterhaltung

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10 Kommentare

  1. Diese Liebeserklärung hat es in sich, ich hab mich dadurch ebenfalls in Oktopoden verliebt, die ich davor zum “Fressen gern hatte” wovon ich mich heute distanziere ;) Ein wunderbares Buch mit Nachhall.

    • Die Oktopoden kommen einem wirklich sehr nahe dank Montgomerys Buch! Trotz der Knutschfleck-Gefahr würde ich auch zu gern mal Kontakt aufnehmen ;-)

  2. Von der Besonderheit der Oktopoden habe ich schon des Öfteren gehört.
    Man kommt immer mehr dahin, die besondere Intelligenz von bestimmten Tieren zu würdigen. Selbst das “dumme Huhn” bekommt eine Würdigung, die es natürlich problematisch macht, weiter so mit der Haltung der Tiere fortzufahren.

  3. Ui, das hört sich interessant an! Jetzt kenne ich zumindest mal den korrekten Plural für diese Lebewesen. Ich bin erstmalig in “Tiere denken” über sie gestolpert und habe mir da schon gedacht, dass ich da mal genauer hinschauen möchte – vielen Dank für die Vorstellung!

  4. Liebe Petra Wiemann,
    Erstmal herzlichen Glückwunsch zum Bubla18 Gewinn!
    Mochte das Buch von Sy auch sehr gerne, vor allem, da sie es schafft mit Leichtigkeit viel Wissen über diese Tiere zu vermitteln.
    Viele Grüsse
    Isabel Fredriksson

    • Danke für die Glückwünsche, Isabel! Ja, die Wissensvermittlung gelingt auch dank dieser Kombination mit ihren sehr persönlichen Eindrücken. Da liest man gern weiter!
      Viele Grüße, Petra

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