Lieblingsbücher 2016

Es war wieder ein Jahr voll spannender Lektüren! Bücher, deren Erscheinen ich entgegen gefiebert hatte, Pflichtlektüren und unerwartete Entdeckungen. Wenige, die enttäuschten und viele, die mich bereichert haben. Besonders wertvoll sind für mich jene Bücher, die mir unbekannte Welten erschlossen, mir neue Denkanstöße gaben und noch lange nachwirken werden. Diese Lieblingsbücher möchte ich Euch besonders empfehlen:

Cover Wulf Alexander von Humboldt

© C. Bertelsmann

Lebendiger Blick auf einen großen Naturforscher Andrea Wulf gelingt es meisterhaft, die Persönlichkeit Alexander von Humboldts einzufangen. Schon beim ersten Hören des von Christian Baumann gelesenen Hörbuchs Alexander von Humboldt und die Erfindung der Natur war ich gebannt. Wulf zeigt ihn als rastlosen, wissbegierigen Menschen, der als Erster die Natur als globales Netzwerk begriff, in dem alles mit allem zusammenhängt. Humboldt inspirierte nicht nur Zeitgenossen wie Goethe und Darwin, sondern auch spätere Künstler und Wissenschaftler, die hier ebenfalls mit ihren Ideen porträtiert werden. Nach dem zweiten Hören genieße ich derzeit die mit Karten und vielen schönen Abbildungen versehene Buchausgabe. Unglaublich, wie viele Erkenntnisse auf Humboldt zurückgehen!

Cover Miodownik Wunderstoffe

© DVA

Verblüffendes aus der Welt der Materialien Mark Miodowniks Buch Wunderstoffe ragt heraus, weil es mir ein weitgehend unbekanntes Terrain erschlossen hat, nämlich die Geheimnisse ganz alltäglicher Materialien. Papier, Beton, Porzellan, Glas und einige weitere Stoffe – Miodownik erzählt mitreißend von ihrer kulturellen Bedeutung, ihrer Herstellung und Zusammensetzung. Ein besonderer Lesegenuss war der Wunderstoff Schokolade. Doch ich wollte mehr wissen! Und so habe ich mich an einen Experten gewandt: den Übersetzer Jürgen Neubauer, den ich um einen Gastbeitrag bat. Ganz herzlichen Dank für die spannenden und lebendigen Einblicke in die Geschichte Mexikos unter besonderer Berücksichtigung eines Kultgetränks – heißer Schokolade! Wissensdurst gestillt!

Cover Pearce Neuen Wilden

© oekom

Neuer Blick auf invasive Arten Eingeschleppte Tier- und Pflanzenarten werden oft pauschal verteufelt. Sie gelten als Feinde heimischer Arten und Gefahren für unsere Ökosysteme. Fred Pearce hat dem in seinem Buch Die neuen Wilden eine Menge entgegenzusetzen. Sehr differenziert betrachtet er, was schief läuft im Kampf gegen fremde Arten. Seit der Lektüre bin ich skeptisch, wenn ich etwas über vermeintliche Invasoren lese. Da werden Pflanzen- und Tierarten für Fehler des Menschen verantwortlich gemacht und ihre Ausrottung veranlasst. Viele dieser Arten könnten uns aber sogar nützlich sein, wie Pearce erklärt. Ein aufrüttelndes Buch, das die Schäden, die durch fremde Arten entstanden sind, nicht verharmlost.

 

Cover Anthropozaen-Kueche

© Springer

Wo kann ich Insektenkost probieren? Seit ich den Sachcomic Die Anthropozän-Küche gelesen habe, versuche ich mich an den Gedanken zu gewöhnen, dass wir unsere Ernährung umstellen und uns in Zukunft auch von Insekten ernähren müssen. Denn die Böden werden durch intensive Landwirtschaft irgendwann ausgelaugt sein und nicht mehr genug Erträge für die wachsende Weltbevölkerung hergeben. Ressourcen werden verschwendet und die Meere ersticken im Plastikmüll. In den 12 ganz unterschiedlich gestalteten Bildgeschichten werden die Zusammenhänge spielerisch erklärt. Darin erzählen Menschen aus verschiedenen Kontinenten, wie sie leben und was sie am liebsten kochen. Besonders spannend finde ich, an welchen Lösungen für die Zukunft schon gearbeitet wird, zum Beispiel Phosphorrecycling und Naturdünger.

Cover Goulson Insekten

© Hanser

Was kreucht und fleucht in der Wiese? Vor etwa zwei Jahren habe ich das Leben in der Großstadt Hannover gegen das Landleben in der beschaulichen Pfalz eingetauscht. Hier bin ich von viel (wenn auch gezähmter) Natur umgeben und staune über die reichhaltige Insektenwelt. Begeistert habe ich daher Dave Goulsons Einblicke in seine Feldforschung als Entomologe verschlungen. In seinem Buch Wenn der Nagekäfer zweimal klopft erzählt er humorvoll von Käfern, Schmetterlingen, Libellen und anderen Kerbtieren, von ihren Gewohnheiten und Überlebensstrategien, ihren pflanzlichen Partnern – und natürlich von den Gefahren durch den Einfluss des Menschen. Die vielen kleinen Bewohner meiner Umgebung möchte ich jedenfalls nicht kosten, dazu kenne ich sie nun zu gut!

© Insel

Eine seltsame Geschichte des 20. Jahrhunderts In Alles ist relativ und anything goes zeigt John Higgs, wie rasant sich die Welt im letzten Jahrhundert veränderte: bahnbrechende physikalische Erkenntnisse, die dem gesunden Menschenverstand widersprechen, provozierende neue Kunstrichtungen, grausamere Kriege als je zuvor, Hinwendung zum Individuum mit intensiver Nabelschau, Erforschung des Weltraums und die Auswüchse des globalen Kapitalismus. Higgs sucht Erklärungen jenseits der ausgetretenen Pfade und findet faszinierende Querverbindungen! Zu seinen Protagonisten zählen Sigmund Freud, Ayn Rand und Schrödingers Katze. Ein weiteres Buch, nach dessen Lektüre ich das Gelesene sofort vertiefen möchte!

Das sind die Sachbüchern, die mich in diesem Jahr besonders beeindruckt haben. Welche sind Eure Lieblingsbücher 2016? Habt Ihr Tipps für mich? Dann freue ich mich auf Euren Kommentar.
Ich wünsche Euch allen eine schöne Weihnachtszeit und etwas Zeit für ein gutes Buch – oder auch zwei! Auf ein baldiges Wiederlesen!

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25 Kommentare

  1. Im Sachbuch-Bereich kann ich Dir keine Tipps geben – da bist Du die ungeschlagene Queen :-)
    Ich profitiere da von Deinen Buchvorstellungen, so sieht es aus …

    Aber über den “Kosmos” von Humboldt, den ich Dir empfehlen könnte, haben wir uns, glaube ich, eh schon ausgetauscht?

    • Ja, vielen Dank, der steht auf dem Weihnachtswunschzettel :-) Dafür hast du mich mit mehreren Roman-Empfehlungen angesteckt. Die zählen auch!!!

  2. Kann mich Birgit von Sätze & Schätze nur anschliessen. Alles ist relativ hat mich ebenfalls sehr bereichert und großartig fand ich die Biographie Richard Dawkins. Falls dich Wirtschaft interesiert: “reichtum ohne Gier” von Sarah Wagenknecht war für mich ein weiteres Sachbuchhighlight.

    Dir weiterhin Lust und Freude an deinem von mir sehr geschätzten Blog und entspannte, schöne Feiertage :)

    • Vielen Dank! Und gleich zwei Empfehlungen. Von Dawkins kenne ich einige Sachbücher, aber bei seiner Autobiografie schreckt mich bisher der Umfang ;-)

  3. Der Band zu Humboldt und dessen Lektüre hat mir gezeigt, wie bereichernd es ist, neben Belletristik auch immer wieder ein Sachbuch zur Hand zu nehmen und zu lesen. Deshalb danke ich für diese wunderbaren Tipps. Viele Grüße

    • Deinen schönen Beitrag zur Humboldt-Biografie habe ich schon gesehen, liebe Constanze! Auf deinem Blog werde ich oft fündig, weil ich die skandinavischen Romanautoren schätze.
      Herzliche Grüße, Petra

  4. Einige der von dir empfohlenen Bücher stehen auf meinem Wunschzettel – und ich freue mich schon auf nach der Bescherung, wenn ich mich dem Lesestoff widmen kann. Danke auch von mir für die wunderbaren Vorstellungen über das Jahr, jede einzelne ist eine besondere Entdeckung. Frohes Fest :-) und LG, Peggi

  5. Hm … Sachbücher aus 2016? Ich glaube, ich habe dieses Jahr gar kein aktuelles Buch gelesen.

    Deine Empfehlung “Der Tote im See” von Antonio Callado habe ich endlich gelesen. Ich fand es gut. Es fügt der Geschichte um Percy Fawcett einige interessante Facetten hinzu, die mir so nicht bekannt waren.

    Am meisten beeindruckt hat mich der SF-Roman “Amalthea” von Neal Stephenson (“Seveneves” im Original). Eine kurze Rezension habe ich hier geschrieben.

    Ansonsten habe ich einige Sachbuchklassiker wieder hervorgeholt, die ich lange nicht gelesen habe, um Anregungen für mein Blog zu finden. Z.B. “Wie der Schamane den Mond stahl” von William H. Calvin. Ein spekulatives aber für mich schlüssiges Buch über die Anfänge der Astronomie. Wie sind die Menschen der Jungsteinzeit bzw. Frühgeschichte dazu gekommen, astronomische Gesetzmäßigkeiten zu erkennen – bis hin zur Vorhersage von Sonnen- und Mondfinsternissen, was ja schon verdammt komplex ist. Trotzdem war das auch ohne Mathematik möglich! Hochinteressant und wie gesagt recht überzeugend.

    Außerdem habe ich nochmal “Der vierte Kontinent” von Toby Lester gelesen. Es enthält noch viel mehr Geschichten über die Kartographierung der Welt als die von Ptolemäus’ Geographia. Eines meiner absoluten Lieblings-Sachbücher der letzten Jahre – unbedingte Leseempfehlung!

    wünsche entspannte Feiertage :)
    grz
    Dampier

    • Ach, ich würde gern auch mal wieder einen Sachbuch-Klassiker lesen. Aber bei mir türmen sich immer so viele Neuerscheinungen. Den „Vierten Kontinent“ möchte ich auf jeden Fall noch lesen, danke für den Tipp! Kennst du schon Karten von Simon Garfield? Das könnte für dich passen, eine unterhaltsame Geschichte der Kartografie.
      Calvins Buch “Wie der Schamane den Mond stahl” mochte ich auch. Aber „Der Strom, der bergauf fließt” gefiel mir noch besser: die Reise einiger Wissenschaftler durch den Grand Canyon, bei der sie über Geologie, Evolution und Menschheitsgeschichte sprechen – einfach großartig!
      Bei „Amalthea“ habe ich nach der Hälfte abgebrochen. Eine tolle Story, aber irgendwann haben mich die technischen Details ermüdet und etliche Charaktere blieben mir einfach zu flach. War vielleicht auch der falsche Zeitpunkt. Mal sehen, ob ich irgendwann wieder reinkomme.

      Vielen Dank für deine Anregungen und schöne Feiertage!

  6. Der Strom, der bergauf fließt

    Ja, ganz wunderbar. Auch so ein Buch, das ich alle paar Jahre mal wieder lese.

    Der Garfield, so wie auch “A History of the World in Twelve Maps” von Jerry Brotton stehen ganz weit oben auf meiner Liste! Muss die gleich mal zu meiner Bestelliste für unsere Fahrbücherei hinzufügen …

    Stephenson ist sicher nicht jedermanns Sache. Aber ich bin halt Fan und sehe ihm auch seine Längen & andere Eigenarten nach :)

    grz
    Dampier

  7. Danke für den Tipp! Ich suche schon lange eine Humboldt-Biografie — klar, wegen Mexiko. Neulich habe ich mir sein “Mexiko-Werk” besorgt, und bei allem Respekt, es ist für Nicht-Geografen schon eine Zumutung, sich gleich zu Beginn durch eine hundertseitige Abhandlung über die genau Lage von Mexiko-Stadt oder Acapulco zu quälen. Umso interessanter wäre es, ein wenig mehr über den Menschen zu erfahren. Bin neugierig!

    • Dafür ist dieses Buch die bestmögliche Wahl! Andrea Wulf hat sich akribisch durch Humboldts Werke und viele Quellen auf der ganzen Welt gearbeitet. Sie berichtet natürlich auch von Humboldts Jahr in Mexiko, seinen Recherchen in den Kolonialarchiven Mexico Citys und wie er später den amerikanischen Präsidenten Thomas Jefferson über das Land beriet. Das ganze Buch ist ungeheuer lebendig erzählt. Ich denke, dass Humboldts Stil auf Andrea Wulf abgefärbt hat.
      Herzliche Grüße nach Mexiko!

      • Ich habe ein Viertel gelesen und muss gestehen, dass ich es danach zurückgegeben habe. Der Ansatz, eine Biografie unter einem bestimmten Blickwinkel zu schreiben – hier Hs Naturbegriff – ist nicht unbedingt schlecht, führt aber in diesem Fall zu einer sehr oberflächlichen Biografie. Und da das Naturverständnis von Andrea Wulf doch recht einfach ist, wiederholt sie im Laufe des ersten Viertels denselben Gedanken in leicht abgewandelten Formulierungen. Am Ende erfährt man wenig über Humboldt und weniger über seinen Naturbegriff. Auf jeder Seite habe ich mir gewünscht, dass sich Rüdiger Safranski an Humboldt gewagt hätte – der hat nicht nur das bessere Verständnis von Geistesgeschichte, sondern hat in seiner Goethe-Biografie bewiesen, dass er einen ausgezeicheten Überblick über die Wissenschaftsgeschichte des 18./19. Jhds hat und Erkenntnisse einordnen kann; ganz abgesehen davon waren die wenigen Seiten zu Humboldt einfühlsamer und näher an der Person als diese flüchtige Aneinanderreihung, die Andrea Wulf als Biografie präsentiert. Es ist schade, aber das Buch ist einfach schnelle Kost, auf eine These hingezimmert, ohne allzu viel Tiefgang und Reflexion. In ihrem Video zum Buch erklärt eine aufgekratzte AW, Humboldt sei der einzige Mann der Vergangenheit, den sie einladen würde, weil er quasi unser komplettes Denken über die Natur vorwegnimmt; ob dem so ist oder ob es sich hier nur um Marketing handelt, darüber kann man streiten; so oder so hätte er eine ernsthafte Biografie verdient.

        • Schade, dass du dein Urteil über dieses Buch schon nach einem Viertel der Lektüre gefällt hast. Ich kann lediglich deine Kritik an sich wiederholenden Aussagen in abgewandelten Formulierungen nachvollziehen. Ansonsten habe ich sehr viel mehr erfahren als erwartet, nicht nur über Humboldts Leben, sondern auch zum Beispiel über das geistige und wissenschaftliche Umfeld. Die Autorin schildert anschaulich, wie sich Humboldts Naturbegriff und auch sein politisches Denken im Laufe seines Lebens entwickelten, durch genaue Beobachtungen und durch Auseinandersetzungen mit zeitgenössischen Theorien und Denkern. Sie bettet die Biografie ein in die politischen Verhältnisse, sie zeigt, wie Humboldts Ideen auch andere beeinflusst haben und wie viel wir auch heute noch von ihm lernen können.

      • Immerhin habe ich mir den Kosmos besorgt – auf ein neues Jahr mit guten Büchern!

        • Den Kosmos habe ich jetzt auch und freue mich schon darin zu lesen. Dir wünsche ich ebenfalls ein neues Jahr voller guter Lektüre :-)

  8. Danke für die Empfehlungen.
    Ich lese zur Zeit” Wie funktioniert die Welt?” Herausgegeben von John Brockman. Es behandelt die edge-Frage (von 2012), die mehr als 200 Wissenschaftlern aller Sparten jedes Jahr gestellt wird. Diese Essays hier sind sowas von gut und erhellend, dass ich zügig vorankomme. Das Buch von 2013 habe ich auch schon gekauft. Auf Englisch ist mir das Ganze zu anspruchsvoll, deshalb mit einer gewissen Verzögerung auf Deutsch:-)

    • Das ist ein toller Tipp, danke! Hab gerade festgestellt, dass es schon 10 Bände gibt, und jedes dieser Bücher klingt interessant!

  9. Was für ein gefährlicher Beitrag und gefährlicher Blog überhaupt, da will man ja gleich alles kaufen. :D

    Hab grade erst hergefunden und werde ab und an wiederkommen, wenn mein Geldbeutel es zulässt.

  10. Liebe Petra!
    Zum Jahresausklang möchte ich mich noch einmal ganz herzlich für die vielen tollen Sachbuchvorstellungen bedanken, mit denen Du meine Regale bereicherst. Dein Blog ist zu meinem ganz persönlichen Orientierungs-Fixpunkt geworden.
    Meine allerbesten Wünsche, Gesundheit, Zufriedenheit, und die nötige Zeit, um Deinen Blog auch 2017 so wunderbar weiterführen zu können,
    herzlichst von
    Sylli

    • Ich freue mich sehr, dass meine Buchtipps so gut ankommen, liebe Sylli. Das ist ein toller Ansporn für das nächste Jahr!
      Auch von mir alle guten Wünsche für 2017 :-)
      Herzliche Grüße, Petra

  11. Liebe Petra,
    danke für deine Buchtipps. Ich tauche auch gerade in die Humboldt-Biografie von Andrea Wulf ein. Gleichzeitig überfliege ich nochmals das Buch “Die Vermessung der Welt” von Daniel Kehlmann. Ich denke, diese beiden Bücher ergänzen sich auf eine gewisse, humoristische Weise ganz gut. Welche Parallelen sich da ergeben, wird sich erweisen.
    Liebe Grüße,
    Hans

    • Den Roman habe ich vor Jahren gelesen und mochte ihn gern! Aber da stand ja der Kontrast zwischen Humboldt und Gauß im Vordergrund. Lohnt sich sicher, das nochmal parallel zu lesen.
      Liebe Grüße, Petra

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