Wort-Schätze: Zoonose

Vogelgrippe, Schweinegrippe, Ebola, SARS – und jetzt Covid-19 – gefährliche Infektionskrankheiten, die auch als Zoonosen bezeichnet werden. Zoonosen stellen eine wachsende Gefahr für die Weltbevölkerung dar. Für mich ist der Begriff ein Sinnbild unserer Zeit und passt daher gut in meine Serie Wort-Schätze.

Das Wort Zoonose stammt aus dem Griechischen und verbindet die Begriffe zōon = Tier oder Lebewesen und nósos = Krankheit. Es bedeutet: das Überspringen eines Virus von einem tierischen Wirt auf den Menschen oder umgekehrt. Präziser: von einer Wirbeltierart auf eine andere, denn auch Wir sind Tier, verdeutlicht das Buch, in dem mir der Begriff Zoonose erstmals begegnete.

»Nehmen Sie eine große, tödliche Infektionskrankheit, und es handelt sich mit ziemlicher Sicherheit um eine Zoonose, eine Krankheit, deren Erreger von Tieren beherbergt oder verbreitet werden. Malaria, Gelbfieber, AIDS, Tollwut, Borreliose, Toxoplasmose, Salmonellose, Infektionen mit enterohämorrhagischem E.coli (EHEC) – sie alle haben ihren Ausgang im Tierreich genommen und sind dann auf den Menschen übergesprungen«, schreiben die Autorinnen Barbara Natterson-Horowitz und Kathryn Bowers. Zoonosen gibt es schon seit Jahrtausenden, so lange, wie Mensch und Tier enger beieinander leben. Doch erst heute werden sie durch die Zerstörung natürlicher Lebensräume zu einem globalen Problem.

Ausgelöst werden Zoonosen durch den Kontakt zwischen Menschen und Wild- oder Nutztieren, zum Beispiel auf chinesischen Wildtier-Märkten wie jenem in Wuhan, wo Tiere verschiedener Arten auf engstem Raum in Käfigen zusammengepfercht sind. Dort nahm die gegenwärtige Corona-Pandemie ihren Lauf um die Welt. Angefangen hat es allerdings schon viel früher. Die Quellen des neuen Corona-Virus Covid-19 sind sehr wahrscheinlich Fledermäuse, die das Virus an Zwischenwirte übertrugen: vermutlich auf die vom Aussterben bedrohten Schuppentiere, mit denen illegaler Handel betrieben wird. Auch die Massentierhaltung ist ein wichtiger Faktor zur Entstehung und Verbreitung von Zoonosen. Etwa 75 % aller heutigen Infektionskrankheiten gehen auf einen tierischen Ursprung zurück!

Die folgende Grafik zeigt mögliche Übertragungswege von Viren auf den Menschen:

 

Mögliche_Übertragungswege_fledermausspezifischer_Pathogene_auf_den_Menschen

Mögliche Übertragungswege fledermausspezifischer Pathogene auf den Menschen Quelle: Wikipedia; © Léa Joffrin, Muriel Dietrich, Patrick Mavingui, Camille Lebarbenchon / CC-BY 4.0

 

Viele Zoonosen haben ihren Ursprung in tropischen Regenwäldern. Im lesenswerten Artikel »Der Ursprung der Pandemie«, aus der Juni-Ausgabe des Magazins bild der wissenschaft, schreibt die Biologin und Wissenschaftsjournalistin Bettina Wurche: »Dringen Menschen immer weiter in diese Gebiete vor, treffen sie dort auf eine hohe Biodiversität und auf viele tierische Reservoire von Krankheitserregern. Die tiefgreifenden Veränderungen ihrer Lebensräume setzen die Wildtiere unter Stress und bringen sie zwangsläufig in engen Kontakt mit Menschen und ihren Haus- oder Nutztieren.« Und im Weiteren heißt es: »Die Zerstörung des ökologischen Geflechts … schadet Mensch und Tier und begünstigt die Entstehung von Pandemien wie Covid-19.«

Der Biodiversitätsrat IPBES hat kürzlich mehr als 600 Studien zum Thema ausgewertet und kam zu einem ähnlichen Ergebnis: »Die Übernutzung arten- und virenreicher Regionen in den Tropen durch Abholzung von Regenwäldern und Siedlungsbau sowie der unkontrollierte Handel mit Wildtieren« gelten als die Treiber globaler Pandemien. So erklärt es der Wissenschaftsjournalist Thomas Krumenacker in seinem Artikel »Das Pandemiezeitalter muss nicht kommen« für die Süddeutsche Zeitung. Der beste Schutz vor weiteren durch Wildtiere übertragenen Infektionskrankheiten sei die Prävention. Das bedeutet: ein besserer Schutz der Artenvielfalt, Kampf gegen die Abholzung tropischer Regenwälder und eine Änderung unserer Produktions- und Konsumgewohnheiten.

Unsere gegenwärtige Lebensweise begünstigt Zoonosen. Wenn wir also weiterleben wie bisher, ist es nur eine Frage der Zeit, bis uns die nächste Pandemie ereilt!

Lektüren zur Vertiefung:
Spillover von David Quammen, Virus – Die Wiederkehr der Seuchen von Nathan Wolfe, Viren – Supermacht des Lebens von Karin Mölling.

Fundort des Wort-Schatzes Zoonose: Wir sind Tier von Barbara Natterson-Horowitz und Kathryn Bowers, ausgezeichnet als Wissensbuch des Jahres 2015 in der Kategorie ÜBERRASCHUNG.

Liste aller Wort-Schätze: https://www.elementareslesen.de/tag/wort-schaetze/

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2 Kommentare

  1. Ach, Bettina Wurche ist mir bekannt.
    Ich las ihren Meeresblog jahrelang, aber irgendwann wurde es zuviel mit den Scilogs und Wissenschaftsblogs…

    Noch ist ja nicht klar, wie wird aus der Krise kommen. Und es gibt und wird geben noch weitere Krisen, allen voran die Klimakrise.
    Das wird schwierig…

  2. Pingback:Mark Honigsbaum: Das Jahrhundert der Pandemien | Elementares Lesen

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