Das Charisma des Apollofalters
Der schwedische Schriftsteller Fredrik Sjöberg ist ein leidenschaftlicher Hobbyentomologe. Er interessiert sich für alle Insekten, aber wegen der Schmetterlinge zog es ihn vor Jahrzehnten auf die Schäreninsel Runmarö. In seinem Buch Schmetterlinge zählen stellt er 78 Tagfalter-Arten vor, die auf den Schären, aber auch hier bei uns zu finden sind.
Seine Porträts sind humorvolle Miniaturen mit unterschiedlichen Schwerpunkten. Mal erzählt Sjöberg, wie sich der Bestand einer Art entwickelt hat, mal geht es um die Bedürfnisse des Falters und den Lebensraum der Raupen, und ein anderes Mal lässt er uns teilhaben am Versuch, einen selten gewordenen Schmetterling wie den Fetthennen-Bläuling endlich mal zu sichten. Mal geht es um die komplizierte Taxonomie und Carl von Linnés Irrtümer, mal um Schmetterlinge in der Literatur. Und so ganz nebenbei lernt man verschiedene Schmetterlingsfamilien wie die Weißlinge, Bläulinge und Perlmutterfalter kennen. Schmetterlinge, die zur gleichen Familie gehören, sind schwer auseinanderzuhalten. Sjöberg gibt nützliche Tipps, worin sie sich unterscheiden.
Aufgebaut ist das Buch nach dem Vorkommen der Tagfalter im Jahreslauf. Als leidenschaftlicher Beobachter hält Sjöberg seine Funde akribisch fest und meldet auch an das schwedische Citizen Science-Projekt Artportalen. Mit Bedauern bemerkt er immer wieder das Verschwinden einst häufiger Arten und geht auf die Gründe ein. Voller Bewunderung porträtiert Sjöberg seinen Liebling: den Apollofalter, über den er ein ganzes Buch schreiben könnte – der eigenwillige Flugstil, seine Pracht, die niemanden unberührt lässt, die imposanten Raupen! Früher war diese Art in ganz Schweden verbreitet, während sie heute nur noch in wenigen Gebieten auftaucht.
Ich konnte mich beim Lesen so gut in Sjöberg hineinversetzen, denn auch ich warte jedes Jahr sehnsüchtig auf das Auftauchen bestimmter Arten: den ersten Aurorafalter im Frühling, den Distelfalter, der aus Südeuropa zurückkehrt, oder das Schachbrett im Sommer (kommt im Buch nicht vor). Nach der Lektüre habe ich den Ehrgeiz, auch mal alle Beobachtungen zu dokumentieren, denn ich weiß gar nicht, wie viele Arten ich inzwischen kenne. Manche Texte haben mich zum Schmunzeln gebracht, wie das Porträt des Schornsteinfegers als „langweiligsten Schmetterling des Sommers“. Gibt es das überhaupt: einen langweiligen Schmetterling? Natürlich nicht!
Das leinengebundene Büchlein ist in der Naturkunden-Reihe von Matthes & Seitz erschienen und eine echte Augenweide. Die Porträts sind mit naturalistischen Illustrationen des Malers Wilhelm von Wright ausgestattet, mit wenigen Ausnahmen, die von Martin Holmer, einem Künstler und Entomologen der Gegenwart, stammen.
Ein wunderbares Buch, das ich jedem naturverbundenen Menschen empfehlen kann!
Fredrik Sjöberg
Schmetterlinge zählen – Ein Sommer in den Stockholmer Schären
Originaltitel: Fjärilarnas skärgård
Aus dem Schwedischen von Paul Berf
Matthes & Seitz Naturkunden, 168 Seiten
ISBN 978-3-7518-4013-2
