Krähengekrächz – ein Wort, das die Mundschleimhaut austrocknet. Krächzende Krähen rufen bei manchen Menschen Abscheu hervor, bei anderen Faszination. Was bringt die Schriftstellerin Monika Maron dazu, sich mit Krähen auseinanderzusetzen? Aus der Beobachtung von Krähen in ihrer Berliner Umgebung entsteht die Idee, sie in ihren nächsten Roman einzubeziehen, denn Maron hat ihren „literarischen Nutzen“ erkannt. Sie beginnt über Rabenvögel zu recherchieren.
Die 74-jährige Berlinerin ist eine der bekanntesten deutschen Autorinnen der Gegenwart. Für ihre Werke, darunter die Romane Flugasche, Stille Zeile Sechs, Animal Triste und zuletzt Zwischenspiel, erhielt sie viele Auszeichnungen. Der kurze Band Krähengekrächz dient der Vorbereitung auf ihren nächsten Roman. Sie will die Krähe „zu einer historischen und moralischen Instanz … ernennen“. Auf etwa 50 Seiten versammelt Maron ihre Reflexionen über die Krähen. Sie erzählt von ihrem Versuch, ihnen näher zu kommen, indem sie sie mit Futter anlockt. Schon bald stellt sie fest, dass die Krähen sie wiedererkennen, während es ihr selbst schwerfällt, die Vögel auseinander zu halten. Die Intelligenz der Krähen ist eine andere als die menschliche.
Seit sich die Schriftstellerin intensiver mit Krähen beschäftigt, lassen sie ihr keine Ruhe. Sie hat ihren Reichholf und ihren Riechelmann gelesen, sich intellektuell mit den Vögeln vertraut gemacht. Nun begegnen sie ihr überall, nicht nur in ihrer Umgebung, sondern auch in unserer Kultur und Geschichte, wo sie fest verankert sind, als Verkörperung der Weisheit, doch ebenso als Todesboten und Leichenfledderer. Sie wecken zwiespältige Gefühle.
Der Fokus von Marons Betrachtungen liegt auf dem Verhältnis zwischen Mensch und Tier und dessen Niederschlag in der Literatur. Sie untersucht Gedichte Theodor Fontanes und Anette von Droste-Hülshoffs sowie den Roman Der menschliche Makel von Philip Roth. Bei Droste-Hülshoff und Fontane sind Krähen Zeugen von Krieg und Leid, bei Roth dienen sie einer Romanfigur als Projektionsfläche aufgrund ihrer nichtmenschlichen Eigenschaften. Sie sind Objekte der Sehnsucht.
Für Maron ergibt sich aus ihren Beobachtungen, dass das Menschliche nicht über das Tierische erhaben ist, im Gegenteil. Angesichts der Not und Gewalt, die sie täglich in den Medien wahrnimmt, steht für sie fest:
Wenn wir unmenschlich sagen, meinen wir das Tierhafte, als wären nicht wir die Mörder, Krieger und Folterer. Das Böse ist menschlich. Nicht das Tier in uns mordet, es ist der Mensch.
In einem klugen Nachwort folgt die Germanistin und Maron-Expertin Elke Gilson den Spuren von Vögeln und anderen Tieren in Marons Werk. So erscheinen diese Texte in einem neuen Licht.
Ein anregendes Buch, das viele Denkanstöße gibt! Man darf gespannt sein auf den Roman, der aus Marons Betrachtungen hervorgehen wird.
Monika Maron: Krähengekrächz
S. Fischer Verlag 2016, 64 Seiten
ISBN 978-3-10-048835-0
10 Krähen mit intelligentem Blick und lautem Geschrei sind mir allemal lieber, als eine gurrende Taube.
Ich finde Rabenvögel faszinierend und beobachte sie sehr gern, also scheint das Buch genau meins zu sein.
Mir sind Krähen auch lieber als Tauben, selbst wenn sie im Wanderurlaub auf meine Wegzehrung lauern. Sie wirken so klug.
Das ist eine echte Entdeckung … Flugasche und anderes habe ich gelesen, bin aber da der Krähe noch nicht auf die Spur gekommen. Das Bändchen macht mich neugierig, auch auf den angekündigten Roman. Danke für die Vorstellung!
Auf das nächste Buch bin ich auch sehr gespannt, um zu sehen was sie aus ihrem Stoff macht.