Für die zweite Folge meiner Serie Vorfreuden für Leseratten habe ich neue Sachbücher über das menschliche Gehirn und die Entstehung unseres Bewusstseins, über Wahrnehmung, Kunst und Kreativität ausgewählt.
Hirnaktivität
Wie konnten sich im Laufe der Evolution aus Einzellern komplexe Wesen mit Bewusstsein, Intelligenz und Phantasie entwickeln? Wesen, die über Sprache, Erinnerung, Kunst und Kultur verfügen? Wie verlief der Weg zu Genies wie Johann Sebastian Bach, Marie Curie und Pablo Picasso? Der amerikanische Philosoph und Bewusstseinsforscher Daniel C. Dennett hat dazu ein hochgelobtes Buch verfasst: Von den Bakterien zu Bach und zurück – Die Evolution des Geistes. Ähnlich wie Richard Dawkins wettert auch Dennett gegen Kreationisten und Antidarwinisten.
Wie reagiert das Gehirn auf Musik? Welche Gefühle löst Musik in uns aus? Warum ist sie so wichtig für uns? Und wie hat sich unsere Neigung zur Musik während der Evolution entwickelt? Gibt es tierische Vorläufer? Welche Bedeutung hat die Musik in unterschiedlichen Kulturen? Spannende Fragen, denen der Neurowissenschaftler und Musikmediziner Eckart Altenmüller in seinem Buch Vom Neandertal in die Philharmonie – Warum der Mensch ohne Musik nicht leben kann nachgeht.
Woher kommen all die Ideen und Erfindungen, die zum Fortschritt der Menschheit beitrugen? Was unterscheidet uns von anderen Lebewesen? Wie erschafft unser Gehirn etwas Neues? Der Hirnforscher David Eagleman, dessen Buch The Brain zu meinen Highlights des letzten Jahres zählt, hat nun zusammen mit dem Komponisten Anthony Brandt das Buch Kreativität – Wie unser Denken die Welt immer wieder neu erschafft vorgelegt. Mit vielen Geschichten über berühmte und unbekannte kreative Köpfe veranschaulichen die Autoren den Weg zu Kreativität und Innovationen. Buchvorstellung im Blog
Bald gibt es etwas Neues von Siri Hustvedt, der brillanten amerikanischen Schriftstellerin und Essayistin! Ihr Buch Die Illusion der Gewissheit ist eine Sammlung von 21 Essays über Neurowissenschaft und Kunst, Feminismus und Philosophie. Wie beeinflusst das Geschlecht unsere Wahrnehmung und Betrachtung von Kunst und Literatur? Sind Körper und Geist wirklich getrennt oder gehören sie zusammen? Hustvedt setzt sich unter anderem mit Pablo Picasso, Anselm Kiefer und Susan Sontag auseinander. Sie beleuchtet das Körper-Geist-Problem und widmet sich dem Selbstbewusstsein, Erinnerungen, Psychiatrie und Fantasie. Ein bunter, verlockender Strauß!
Selbstgespräche zu führen ist doch eigentlich normal – oder? Zumindest, wenn man es im Stillen tut. Der Schriftsteller und Psychologe Charles Fernyhough untersucht in seinem Buch Selbstgespräche die Wissenschaft und Geschichte unserer Inneren Stimme. Er kommt zu dem Ergebnis, dass unsere inneren Monologe zutiefst menschlich sind. Die Innere Stimme ist wichtig, um Dinge abzuwägen, Entscheidungen zu treffen und vorauszuplanen. Der Autor plädiert sogar für laute Selbstgespräche, denn sie unterstützen den Denkprozess und helfen uns, Lösungen zu finden.
Die Vernetzung von Mensch und Maschine schreitet voran. Schon heute ist es möglich, Computer mit der Kraft der Gedanken zu steuern. Bei Querschnittsgelähmten werden Chips zur Steuerung ihrer Bewegungen ins Gehirn implantiert. Dank des technischen Fortschritts können wir schon bald unsere Gehirne optimieren, ihre Effizienz steigern, unsere Sinne erweitern, die Gefühle auf Knopfdruck manipulieren. Eine Welt neuer Möglichkeiten, aber auch voller Risiken, tut sich auf. Wohin das führen kann und ob wir es zulassen sollten, beschreibt Miriam Meckel in ihrem Buch Mein Kopf gehört mir – Eine Reise durch die schöne neue Welt des Brainhacking.
Überblick auf alle Vorfreuden des Frühjahrs:
Folge I: Wurzeln
Folge II: Hirnaktivität
Folge III: Horizonterweiterung
Folge IV: Lebenswelten
Ach, das Warten auf die vielen spannenden Neuheiten fällt mir wieder schwer! Zum Glück sind alle Bücher bereits im Buchhandel vorbestellbar.
Hier pack ich mir auf jeden Fall Frau Hustvedt auf meine Liste :)
Falls du es im Original lesen magst: der Titel lautet „A Woman Looking at Men Looking at Women“. Klingt noch verheißungsvoller als der deutsche Titel :-)
Jedes einzelne interessant !!
Zu Charles Fernyhough:
Laute Selbstgespräche, das kenne ich noch nicht. Ich kenne das Aufschreiben zu Klärungen, aber das wäre und ist neu für mich.
Einfach ausprobieren! Wenn ich allein bin, überlege ich gern mal laut vor mich hin und finde es hilfreich. Aber vieles läuft ja gar nicht bewusst ab oder ist schwer zu fassen. Darüber würde ich gern mehr erfahren, vielleicht in diesem Buch.
Ich kenne eher das laute Schimpfen hinter geschlossenen Autoscheiben, was bei mir allerdings eher zu einer Denkblockade führt. ;-)
Nein, ernsthaft. Ich kenne mindestens einen Menschen, der oft laut Selbstgespräche führt. Anstatt mich darüber aufzuregen, könnte mich dieses Buch eines Besseren belehren!
Der Autor geht auch darauf ein, ab wann Selbstgespräche problematisch werden. Aber er stellt eben auch ihren Nutzen heraus. Ich bin schon gespannt auf dieses Buch :-)
Siri Hustved und eine SAmmlung neurowissenschaftlicher Essays, das klingt vielversprechend. Danke!
Sie verbindet verschiedene Fachgebiete. Das wird bestimmt interessant!
Ich würde gern die Reisen von den Bakterien zu Bach und vom Neandertal in die Philharmonie antreten.
Die Reiseroute gefällt mir!