Andreas Laudan: Das blaue Leuchten

Cover Laudan Blaue Leuchten

© Rowohlt

Höhlen finde ich faszinierend. Sie sind ein Zugang zu den unbekannten Tiefen der Erde. Durch Erosion entstanden im Laufe der Zeit gigantische Hohlräume. Dort sind Mineralien und seltsame Tiere verborgen. Stalagmiten und Stalaktiten zeugen von unfassbar langen Zeiträumen der Kalkablagerung. Früher haben sie als Versteck oder Wohnraum gedient. Viele Höhlen sind schwer zugänglich, einsturzgefährdet oder von Wasser überflutet. Als Ort für einen Roman bieten sie also viel Potential. Daher habe ich mich sehr gefreut, als ich neulich auf einer Krimi-Empfehlungsliste einen Thriller entdeckte, der in einer Höhle im Odenwald spielt.

Ein blaues Leuchten am Zugang einer bisher verborgenen Höhle hat die Aufmerksamkeit einiger Hobbyforscher erregt. Angeblich ist hier ein großer Schatz verborgen, vielleicht sogar der Schatz der Nibelungen, so wird in einschlägigen Internet-Foren spekuliert. Da werden Begehrlichkeiten geweckt und schon machen sich die ersten Schatzsucher auf den Weg, um den Schatz zu heben. Nachdem ein verletzter Schatzsucher vor der Höhle aufgefunden wird, beschließt die örtliche Stadtverwaltung die Höhle zu versiegeln. Die blinde Höhlenforscherin Tia Traveen wird mit der Erschließung beauftragt.

Ein abenteuerlicher Plot, den sich der Autor Andreas Laudan ausgedacht hat! Eigentlich ist er ja Musikwissenschaftler, aber er interessiert sich für viele Wissensgebiete und baut die entsprechenden Hintergründe in seine Romanhandlung ein. Dieses Buch ist bereits sein zweiter Roman mit der blinden Höhlenforscherin Tia und ihrem Assistenten Leon, nach dem ersten Band Das Geflecht. Dessen Lektüre muss ich demnächst unbedingt nachholen, ist aber hier keine Voraussetzung!

Welches Geheimnis birgt wohl diese Höhle im Odenwald? Wie schafft es eine Blinde, sich an so einem Ort zu orientieren? Zusammen mit ihrem Assistenten Leon und einem Polizisten wagt sich Tia in die Höhle. Dank ihrer verbliebenen Sinne kommt sie bestens mit der Situation zurecht und kann Gefahren rechtzeitig erkennen. Auf ihrer Haut spürt sie die unterirdischen Luftströmungen, mit ihrem Geruchssinn kann sie die chemische Zusammensetzung der Luft wahrnehmen. Durch Zungenschnalzen und Klicklaute ist sie sogar fähig, Echo-Ortungen vorzunehmen. Diese Methode existiert wirklich! Sie wurde von dem blinden Amerikaner Daniel Kish entwickelt und erfordert jahrelanges Training. Wer diese Technik beherrscht, ist in der Lage, sich ein räumliches Bild von seiner Umgebung zu machen. So kann Tia die Beschaffenheit ihrer Umgebung erfassen und Durchgänge im Höhlenlabyrinth finden, die ihren sehenden Begleitern verborgen bleiben.

Als plötzlich eine Explosion Teile der Höhle zum Einsturz bringt, wird es gefährlich, denn der Rückweg ist versperrt und die Atemluft begrenzt! Außerdem trifft die Gruppe auf Philipp und Kim, ein bewaffnetes Schatzsucher-Paar, das mit völlig unzureichender Ausrüstung auf der Suche nach dem sagenhaften Schatz ist. Gier und grenzenloser Leichtsinn sorgen für zusätzliches Gefahrenpotential. Was hat die Explosion ausgelöst? Woher stammt das blaue Leuchten? Liegt ein Fluch auf der Höhle? – Oder gibt es für alles eine wissenschaftliche Erklärung?

Mich hat die Geschichte von der ersten Zeile an gepackt, so dass ich die 400 Seiten innerhalb kürzester Zeit durchgelesen habe – ein echter Pageturner! Informationen zur deutschen Geschichte und die Nibelungensage, zur Geologie des Odenwalds und über die Entstehung von Höhlen sind dezent in die Dialoge der handelnden Personen integriert. Das ist sehr gut gelöst und flüssig geschrieben. Jetzt muss ich unbedingt die Lektüre des ersten Bandes um die Höhlenforscherin Tia und ihren Begleiter Leon nachholen. Das entschädigt etwas für den eklatanten Mangel an guten Sachbüchern über geowissenschaftliche Themen.

Solltet Ihr interessante Bücher mit geowissenschaftlicher Thematik kennen, ob Sachbuch oder Roman, freue ich mich auf Eure Tipps!

Andreas Laudan: Das blaue Leuchten
Rowohlt Verlag 2014
ISBN 978-3-499-26719-2
erhältlich bei der Buchhandlung meines Vertrauens

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17 Kommentare

  1. Solltet Ihr interessante Bücher mit geowissenschaftlicher Thematik kennen, ob Sachbuch oder Roman, freue ich mich auf Eure Tipps!

    http://nomasliteraturblog.wordpress.com/sachbucher/geologie/
    http://nomasliteraturblog.wordpress.com/sachbucher/geographie/

  2. Ich nehme an, dass Du Bernhard Kegel kennst? Wenn nicht: “Der Rote” fand ich sehr lesenswert!

    • Bei dem Autor muss ich überlegen, was ich noch nicht kenne. “Der Rote” hat mir auch sehr gut gefallen, ebenso die Fortsetzung “Ein tiefer Fall”. Ein Highlight ist auch “Das Ölschieferskelett”! Seine Sachbücher reizen mich auch, kenne ich aber bisher noch nicht.

  3. Klingt gut! Höhlen sind echt genial :).

  4. Nicht zuletzt, weil ich in der Ecke wohne (und in der größten Höhle hier schon mal war), hat mich Deine Rezension elektrisiert. Grüße. Leo

  5. Leider setzen sich Sachbücher zu geowissenschaftlichen Themen am Markt oft nicht so richtig durch. Zumindest haben wir bei Springer Spektrum schon mehrfach diese Erfahrung gemacht, unter anderem mit dem, wie ich finde, wirklich spannenden Buch “Die Erde nach uns. Der Mensch als Fossil der fernen Zukunft” von Jan Zalasiewicz (SPIEGEL-Interview mit dem Autor: http://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/erdgeschichte-wir-sind-auf-der-erde-das-dominierende-raubtier-a-748356.html). Das Buch ist inzwischen vergriffen, aber im Internet noch zu haben. Eines meiner Geo-Lieblingsbücher in unserem Programm ist Richard Forteys “Der bewegte Planet” (http://www.springer.com/new+%26+forthcoming+titles+%28default%29/book/978-3-8274-3114-1).
    Beste Grüße, Frank Wigger

    • Vielen Dank für diesen Kommentar, der auch zwei wunderbare Buchtipps enthält!
      Das Buch von Zalasiewicz habe ich zum Glück schon im Regal stehen und habe es in sehr guter Erinnerung! Und Richard Fortey war ja schon mit seinem erzählenden Sachbuch “Leben” recht erfolgreich. Das von Ihnen erwähnte Buch “Der bewegte Planet” liegt auch bei mir schon bereit. Auf dessen Lektüre freue ich mich sehr.
      Es ist sicher schwierig für einen Verlag zu entscheiden, welche Bücher eine reelle Chance am Markt haben. Aber nach meiner Erfahrung sind viele Leser sehr interessiert an guten erzählenden Sachbüchern. Manche werden ja auch Bestseller, z.B. von William Calvin “Der Fluss der bergauf fließt”, Frank Schätzings “Nachrichten aus einem unbekannten Universum” oder die Bücher von Richard Dawkins, die ja auch geowissenschaftliche Aspekte enthalten. Ich hoffe, dass der Springer Spektrum Verlag auch weiterhin dranbleibt!
      Beste Grüße,
      Petra Wiemann

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