Blandine Pluchet : Die Vermessung der Berge

Cover Pluchet Vermessung der Berge

Hüter großer Geheimnisse, »Refugien einer verschwundenen Welt« – so beschreibt Blandine Pluchet die Berge. Für ihr Buch Die Vermessung der Berge war die französische Physikerin und Wissenschaftsautorin ein Jahr lang unterwegs und führte intensive Gespräche mit Menschen, die einen speziellen Bezug zum Gebirge haben. Begleiten wir sie auf ihren Exkursionen.

Forschen im Gebirge

Pluchet besucht Forschungseinrichtungen in europäischen Gebirgen wie den Alpen und den Cevennen. Im Schneefernerhaus, einer Umweltforschungsstation unterhalb der Zugspitze, trifft sie sich mit einem Spezialisten für die Atmosphäre und einem Gletscherforscher. Sie erfährt, wie Gebirge das Wetter beeinflussen und wie rasant sie sich durch den Klimawandel verändern.

In der Forschungsstation am Schweizer Jungfraujoch besucht sie das Sphinx-Observatorium, wo u.a. die Atmosphäre der Sonne und die kosmische Strahlung erforscht werden. Tief unter den Alpen, im Untergrundlabor LSM, erfährt sie Neues über das Experiment SuperNEMO – komplexe Forschung über den doppelten Betazerfall von Neutrinos. Wir erhalten faszinierende Einblicke in die Arbeits- und Lebensbedingungen der Forschenden an diesen ungewöhnlichen Standorten. Außerdem ist Pluchet mit einer Nachtfotografin, einem Hobbyastronom und einer Märchenerzählerin unterwegs. Die Menschen, denen sie begegnet, teilen ihre Faszination für die Bergwelt.

Man muss nicht ins Hochgebirge reisen, um Berge hautnah zu erleben. In einer französischen Hügellandschaft sucht Pluchet nach Spuren des Armorikanischen Massivs. Der Böhmen-Gelbstern weist ihr den Weg zu diesem 300 Millionen Jahre alten, durch Erosion abgetragenen Gebirge. Ohne das verwitterte Gestein könnte die Pflanze hier nicht wachsen. Für Blandine Pluchet wird durch die Existenz dieser unscheinbaren Blume »die Tiefe der Zeit« erlebbar.

Zwischen Wissenschaft und Naturerlebnis

Berge sind ein Sehnsuchtsort der Autorin, an dem sich ihre Interessen als Physikerin und naturbegeisterter Mensch verbinden: „Wissenschaft auf Tuchfühlung mit atemberaubender Schönheit, zwischen Bergwäldern und Seen, Felsen und Schnee“. Gebirge tragen die Spuren der Erdgeschichte in sich. Hier geht sie dem Ursprung vieler Naturwunder auf den Grund und erläutert gut verständlich, welche physikalischen Kräfte verantwortlich waren. Sie erzählt von Karsthöhlen, durch die Kraft des Wassers geformt, abgetragenen Bergen und faszinierenden Kristallen, Pflanzen mit besonderen Ansprüchen, einem überwältigenden Sternenhimmel – und den Spuren, die der Mensch hinterlässt – eine Gefahr für diese Refugien und geheimnisvollen Orte.

Pluchet geht auf die von Bergen geprägte Geschichte der Geowissenschaften ein und spürt alten Mythen und Legenden über seltsame Gebirgsformationen nach. Mir gefällt ihr offener Blick auf alles, was ihr begegnet, auch wenn sie manchmal fast schon pathetisch klingt. Einblicke in Forschungsprojekte, wissenschaftliche Fakten und atmosphärische Beschreibungen der Landschaft halten sich die Waage.

Ein wunderbares Buch über die Liebe zur Natur und zur Wissenschaft! Hervorzuheben ist auch die ansprechende Gestaltung. Durch die offene Fadenbindung entsteht auf dem Buchrücken ein Gebirgspanorama. Eine Karte zeigt alle im Buch erwähnten Stationen. Illustriert hat es die Künstlerin Laëtitia Locteau mit Landschaften, Wolkenformationen, Forschungsstationen, Schneeflocken, Mineralien und Sternschnuppen – bezaubernd!

Nominiert als Wissensbuch des Jahres 2023 in der Kategorie Ästhetik.

Blandine Pluchet : Die Vermessung der Berge – Eine Wanderung zur Entdeckung der Weltgesetze Originaltitel: Le Grand Recit Des Montagnes. Une randonnée scientifique à la découverte des lois du monde
Aus dem Französischen übersetzt von Reiner Pfleiderer
Bergwelten Verlag 2023, 216 Seiten mit offener Fadenbindung, illustriert von Laëtitia Locteau
ISBN 978-3-7112-0044-0
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2 Kommentare

  1. Das, was Du zum Böhmen-Gelbstern erzählst, gefällt mir. Da wird tatsächlich Tiefe spürbar.
    Auch die Vielgestaltigkeit der Menschen, mit denn sie unterwegs ist, gefällt mir.
    Ich mag Menschen, die recht disparate Hobbys haben, Hobbys eben, die kaum zusammenpassen, aber dennoch in einem Menschen zusammenfinden können.

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