Peter Rohrsen: Das Buch zum Tee

Grundkurs Teeologie

Gastbeitrag von Hans Siglbauer

Buchcover Peter Rohrsen Das Buch zum TeeDer Kaffee bestimmt hierzulande das alkoholfreie soziale Leben. Bauarbeiterinnen und -arbeiter treffen sich morgens zum Kaffee beim Bäcker oder urbaner vorm Späti, Büromenschen schätzen den Plausch an der Kaffeemaschine (seit Corona und Homeoffice teils noch viel mehr) und wer noch nie mit Freundinnen und Freunden das Café um die Ecke aufgesucht hat, werfe die erste Bohne.

Mehr als gefärbtes Wasser

Tee hingegen ist für die meisten kein soziales Getränk, hat keinen besonderen Charme oder eine Kultur, die um ihn herum zelebriert wird. Anders in anderen Ländern, die für ihre Teekultur bekannt sind: Großbritannien und Japan zum Beispiel. Tee ist nicht nur dort so viel mehr als nur gefärbtes und aromatisiertes Wasser.

Davon berichtet der Tee-Experte Peter Rohrsen, der im Verlag C.H. Beck auf Initiative der Teekampagne Das Buch zum Tee – Sorten – Kulturen – Handel herausgegeben hat. Nach seinem bereits 2013 erschienenen (und nach eigenen Angaben fast vergriffenen) Band der C.H. Beck Wissen-Reihe Der Tee – Anbau, Sorten, Geschichte ist dies nun die zweite größere Publikation des Kulturwissenschaftlers zur Thematik.

Was ist Tee?

Darüber weiß Rohrsen – seit 2007 einer der ersten IHK-TeeSommeliers dieser schnöden Kaffeerepublik – so einiges zu berichten. Er gibt uns Einblicke in die biologischen Hintergründe, geographische Einordnungen und die Produktion und Verarbeitung des Tees. Er geht die wesentlichen Anbaugebiete – die meisten in Ost- und Südasien, aber auch in Kenia – mit uns durch und erläutert ausführlich, worauf bei der Logistik zu achten ist, wenn die Blätter in die Zielländer (zumeist) verschifft werden.

Er beschreibt gleichsam, welche Sicherheits- und Qualitätskontrollen der Tee durchlaufen muss, welche Auswirkungen er auf unsere Gesundheit hat, wodurch und durch wen sich der internationale Markt auszeichnet und wie auch wir Deutschen auf ihm mitmischen. Er geht auf die Plantagenwirtschaft ein wie auch auf das koloniale Erbe vor allem der teehungrigen Briten. Zum Abschluss wagen wir noch einen kurzen Blick in ausgewählte Teekulturen der Welt und natürlich dürfen ein paar praktische Tipps bei der Zubereitung nicht fehlen.

Ein fokussierter Überblick

Für gerade einmal 230 Textseiten inklusive einer Reihe von Karten und Abbildungen sowie einem zusätzlichen Bildteil in der Mitte ist das ein ziemlich straffes Programm, das Peter Rohrsen durchaus gekonnt um die eine oder andere persönliche Anekdote anreichert, ohne dabei zu sehr ins Persönliche oder Abseitige abzudriften.

Dabei wird allerdings auch schnell – und durch das gesamte Buch hindurch – klar, dass es sich hier vor allem um ein Überblickswerk handelt, das viele der behandelten Themen nur anreißen kann. Bei fast allen Punkten könnten wir noch einmal deutlich in die Tiefe gehen. Hätte Peter Rohrsen das getan, dann wäre hier aber wohl ein 600-Seiten-Schinken herausgekommen. Ach ja, und es geht übrigens auch ausschließlich um den „echten“ Tee aus Teeblättern, also im Wesentlichen Schwarzen, Grünen und Weißen Tee. Sorten wie Kräutertee oder Rooibos ignoriert Rohrsen im Rahmen seines Buchs fast kommentarlos.

Von Beginn an bekommen wir hier hochwertige Information auf einem Niveau, das interessierte Konsumentinnen und Konsumenten auch verdauen können. Anders als von so manchem Forscher im Ruhestand zu erwarten, weiß der Autor hier sehr genau, mit welchem Publikum er es zu tun hat. Ob sich jeder und jede dafür interessiert, wie die genaue Lieferkette des Tees aussieht und worauf bei Transport und Lagerung zu achten ist, ist eher unwahrscheinlich, aber zumindest schafft er damit Transparenz und holt die Leserinnen und Leser ab, die wirklich etwas mehr über die Zusammenhänge und die Bedeutung des Tees erfahren möchten.

Lasst uns über Kolonialismus reden

Das gilt auch für ein anderes Thema, das in der heutigen Debatte auch nicht mehr fehlen darf: Natürlich ist Tee ein koloniales Produkt, für das Menschen aus dem Westen Menschen aus anderen Gebieten ausgebeutet haben – und das vielfach auch heute noch tun. Das Kapitel, das sich dezidiert mit dem kolonialen Erbe des Britischen Weltreichs beschäftigt, ist erstaunlich kurz und gerade an dieser Stelle hätte vielleicht die eine oder andere Information dem Buch noch etwas gutgetan.

Gleichermaßen benennt Rohrsen die Ausbeutung an einigen anderen Stellen stets als das, was sie war (und wie gesagt: vielfach immer noch ist): eine Knochenarbeit, für die Menschen ihre Körper kaputtmachen, dafür aber kaum Lohn erhalten und/oder unter schlechtesten Bedingungen leben müssen – und wie der Teeanbau auch unter dem Klimawandel leidet, (selbst wenn er auf Anpassungsmaßnahmen nur ganz am Rande eingeht). Dies im Hinterkopf, ist es wiederum sehr lobenswert, dass er an einer Stelle von „white savoiourism“ abrät und dabei zwischen dem Anprangern unhaltbarer Zustände und dem Respekt vor der Unabhängigkeit der betroffenen Länder (vor allem Indien und Sri Lanka) changiert.

„Niemand schreibt ein Buch allein“

Ein letzter Punkt sei an dieser Stelle aber noch angesprochen: Leserinnen und Leser sind bei Peter Rohrsens Buch gut damit beraten, das Vorwort und vor allem den Dank an dessen Ende sehr aufmerksam zu lesen – wie es sich überhaupt lohnt, die Danksagungen aufmerksam zu lesen, denn dort erfahren wir häufig, wer neben dem Autoren oder der Autorin noch an dem Buch mitgewirkt hat (ein Gruß geht an Annalena Baerbock und Maja Göpel sowie deren Ghostwriter).

Bei Peter Rohrsen jedenfalls tauchen im Vorwort und speziell im Dank einige Institutionen auf, auf die wir im Lauf des Buches immer wieder treffen: die bereits erwähnte Teekampagne, eine große Franchise-Kette von Teehändlern mit G oder ein indischer Mischkonzern, bei dem ein Neffe Rohrsens beschäftigt ist. All diese Einrichtungen tauchen während der Lektüre immer wieder auf, oft auch deutlich ausführlicher und positiver konnotiert als vergleichbare Passagen oder Akteure. Gerade in diesem Zusammenhang ist es also immer wichtig darauf zu achten, wer an der Erstellung eines Buches beteiligt ist und wie diese Institutionen und Personen dann beschrieben werden, unabhängig davon, ob sie vielleicht gute Arbeit leisten (an dieser Stelle nun ein Gruß an Kristina Lunz und ihr Centre for Feminist Foreign Policy).

Mehr als aufgebrühtes Stiefmütterchenkraut

All dieser Punkte unbenommen ist Peter Rohrsens Buch zum Tee allerdings ein sehr anschauliches Überblickswerk, das uns Hintergründe zu einem Getränk liefert, das hierzulande eher die Rolle von aufgebrühtem Stiefmütterchenkraut spielt. Tee ist für den Autoren eine kleine Passion und auch deshalb schafft er einen guten Spagat zwischen Fakten zum Heißgetränk und etwas Chichi nebenbei.

Dabei muss den Leserinnen und Lesern klar sein, dass es sich eben um ein Überblickswerk handelt, das bewusst manche Dinge auslässt, sich aber nicht davor scheut, auch Unangenehmes – beispielsweise den Umgang mit kolonialem Erbe – anzusprechen, selbst wenn an manchen Stellen noch etwas mehr Tiefgang möglich und wünschenswert gewesen wäre. Alles in allem bietet Das Buch zum Tee große Lesefreude, vollkommen egal, mit welchem aufgebrühten Heiß- oder Kaltgetränk. Nur der aus Taiwan stammende Bubble Tea, der muss es weder für Peter Rohrsen noch für mich sein. Ach ja, der Lebensmittelriese Nestlé hat Ende März 2023 angekündigt, seine Eisteemarke Nestea (vorerst) einzustellen. Gut so.

 

Hans Michael Siglbauer, der Autor dieses Gastbeitrags, ist Herausgeber bei the little queer review — und in diesem Jahr Teil von #sachbuchpreisbloggen.

 Peter Rohrsen: Das Buch zum Tee – Sorten – Kulturen – Handel
C. H. Beck Verlag 2022, 247 Seiten mit 39 Abbildungen und 9 Karten
ISBN 978-3-406-79136-9
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2 Kommentare

  1. Es wäre schön, wenn Nestlé auch seine unsäglichen Tee-Kapsel-Systeme vom Typ Special.T einstellen würde.

  2. Pingback:Grundkurs Teeologie – the little queer review

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