Nur mal kurz die Mails checken – Teams-Meeting mit den Kolleginnen – schnell was googeln – was gibt’s Neues auf den Social Media-Kanälen? Sowohl bei der Arbeit als auch in der Freizeit switchen wir von Bildschirm zu Bildschirm. Vor allem das Smartphone ist allgegenwärtig. Ohne den ständigen Blick darauf können sich viele Menschen den Alltag nicht mehr vorstellen. Und es schadet doch nicht – oder??? Martin Korte, Professor für Neurobiologie an der TU Braunschweig, erläutert in seinem Buch Frisch im Kopf neurowissenschaftliche Erkenntnisse zur Nutzung digitaler Medien. Eine erhellende Lektüre!
Die wichtigste Botschaft: wir sind nicht zu Multitasking fähig! Der häufige Wechsel zwischen verschiedenen Medien und Aufgaben stört die Konzentration und unsere Leistungsfähigkeit. Wir sind gestresst und machen mehr Fehler. Alles dauert etwa 40 bis 50 % länger als wenn wir uns einer einzigen Aufgabe widmen. Ein Ausweg wäre zum Beispiel, zwischen Online- und Offline-Zeiten schärfer zu trennen. Das sagt einem schon der gesunde Menschenverstand, aber hier werden die Hintergründe plausibel dargelegt!
Besonders junge Menschen leiden unter mentaler Überlastung. Durch intensive Mediennutzung werden sie in ihrer Lernfähigkeit und ihrem Sprachverständnis behindert, ihre Hirnentwicklung wird beeinträchtigt! Ausführlich geht Korte auf den Einsatz digitaler Medien im Klassenzimmer ein und erklärt, wie sie gewinnbringend zu nutzen sind. Er erklärt, warum Bücher besser sind als Bildschirme und warum ein persönliches Feedback mehr bringt als viele Likes bei Instagram.
Korte warnt uns vor dem Suchtpotential sozialer Medien und gibt Tipps für eine bessere Selbstkontrolle. Dabei hilft ein Verständnis für das „Drogenkartell im Gehirn“, unser Belohnungssystem, das gezielt durch Apps und soziale Medien getriggert wird. Digitale Medien werden im Buch aber nicht verteufelt, sondern systematisch abgeklopft auf ihre Wirkung in verschiedenen Altersgruppen und Kontexten. Ältere Menschen zum Beispiel profitieren von digitalen Lernplattformen und Bildungs-Apps. Auch im medizinischen Bereich gibt es viele sinnvolle Anwendungen. Martin Korte wägt genau ab, wo die Chancen und Risiken liegen.
Weitere Themen des Buches:
- Deep Learning und KI: Was können wir Künstlicher Intelligenz zutrauen – und was nicht? Wo ist das menschliche Gehirn überlegen?
- Lässt sich das Gehirn hacken? Was kann Neuroenhancement – die Optimierung des Gehirns durch Medikamente oder Implantate? Welche Verbesserungen des Gehirns sind sinnvoll und möglich?
Insgesamt ein faszinierender Überblick zu Erkenntnissen der Hirnforschung über die Digitalisierung. Ob in der Freizeit, im Bildungswesen oder im Job: Martin Korte gibt viele Tipps für einen besseren Umgang mit Smartphone und Co.! Bei vielen Aspekten fühlte ich mich ertappt – und motiviert, es besser zu machen. Wenn wir sinnvoller mit unserer Zeit umgehen wollen, ist ein besseres Verständnis der Mechanismen im Gehirn hilfreich. Das Buch Frisch im Kopf liefert diese Informationen auf kurzweilige und unterhaltsame Weise. Für mich war die Lektüre eine echte Bereicherung!
Martin Korte: Frisch im Kopf – Wie wir uns aus der digitalen Reizüberflutung befreien
DVA 2023, 320 Seiten
ISBN 978-3-421-04887-5
Leseprobe