Sri Sri!
Bald ziehen sie wieder fort – Mauersegler, die den Sommer mit ihrem schrilles Kreischen bereichern. Jahr für Jahr erwartet Charles Foster sehnsüchtig ihre Ankunft in seiner Heimat Oxford. Dann kann er sich an ihren Flugkünsten erfreuen und sie bei der Aufzucht ihrer Jungen am Nistkasten beobachten. Doch das genügt dem britischen Naturschriftsteller nicht. Immer wieder packt er seine Koffer, um den Vögeln nach Spanien und in ihre afrikanischen Winterquartiere nachzureisen. In seinem literarischen Sachbuch Der Ruf des Sommers erzählt Foster vom Leben der Mauersegler im Jahreslauf – und von seiner Obsession.
Bereits im Eozän, vor über 50 Millionen Jahren, gab es die ersten Proto-Mauersegler. Foster berichtet von Fossilienfunden an der Küste von Essex und der Evolution dieser Seglervögel. Ihn fasziniert der Gedanke, was sie als Zeugen der Erdgeschichte schon alles erlebten, bevor sie sich zu ihrer modernen Form entwickelten. Und heute? Wie lebt Apus apus, der Mauersegler, während der europäischen Brutsaison und in den afrikanischen Winterquartieren? Wie bewältigt er zweimal im Jahr die Tausende Kilometer lange Strecke? Was veranlasst den Abflug nach Afrika und wie finden Jungvögel im nächsten Jahr ihren Geburtsort wieder, um sich fortzupflanzen? Wie bilden sich Kolonien mit etwa 30 Brutpaaren? Und wie wählen sie im rasanten Flug ihre Nahrung aus? Den größten Teil ihres Lebens verbringen Mauersegler in der Luft. Nur für die Paarung, zum Brüten und zur Versorgung ihres Nachwuchses kommen sie herunter.
Empathie für die Mauersegler
Neben den Fakten, die im Buch nicht zu kurz kommen, interessiert sich Charles Foster auch dafür, was Mauersegler mit uns Menschen verbindet und was uns trennt, wie unterschiedlich wir zum Beispiel die gemeinsam bewohnten Orte wahrnehmen. Wie schon in seinem Buch Der Geschmack von Laub und Erde versucht Foster, sich in die Tiere hineinzusetzen, in ihre Gedankenwelt, ihre Motive. Er bewundert ihre Intelligenz und fragt sich, ob sie um ihre Sterblichkeit wissen. Denn darauf deutet ihr planendes Verhalten hin. (Einige verhaltensbiologische Aspekte sind auch im lesenswerten Buch Die Sinne der Vögel vom Ornithologen Tim Birkhead nachzulesen, das Foster empfiehlt.)
Einst funktionierte das Zusammenleben mit den Menschen. Doch voller Sorge berichtet Foster vom Schwinden der Bestände durch den Verlust von Brutmöglichkeiten, den Insektenschwund und den Klimawandel. Noch bevor der Sommer endet, plagt ihn die Verlustangst. Denn er weiß, dass die Vögel bald fortziehen. Seine Besessenheit ist dem Autor peinlich. Doch Menschen, die seine Obsession nicht nachvollziehen können – für die Mauersegler einfach nur Vögel sind, sind ihm suspekt. Daran ist sogar eine Freundschaft zerbrochen.
Nature Writing über die Passion der Vogelbeobachtung
Der Ruf des Sommers ist eine gelungene Mischung aus Fakten und Reflexionen über das Leben der Mauersegler. In literarischer Form teilt Charles Foster seine Leidenschaft für die Vögel und offenbart dabei viel Persönliches. Selbstironisch erzählt er von seinen Bemühungen, den Vögeln nahe zu sein. Ich bin ihm schmunzelnd auf seinen Reisen durch die Geschichte und entlang der Zugrouten der Vögel gefolgt und habe viel Neues erfahren. Ein wunderbares Buch für Menschen, die sich für die Natur begeistern!
Charles Foster: Der Ruf des Sommers – Das erstaunliche Leben der Mauersegler
Originaltitel: The Screaming Sky
Aus dem Englischen von Gerlinde Schermer-Rauwolf und Robert A. Weiß
Malik Verlag 2023, 224 Seiten mit Illustrationen von Jonathan Pomroy
ISBN 978-3-89029-576-3
Leseprobe
Mauersegler sind ja auch wirklich faszinierende Vögel. Eine derartige Anpassung an ein dauerhaftes Leben in der Luft ist sonst kaum bekannt. Hier im Kölner Norden gibt es auch eine Population, jeden Sommer jagen sie hier auf Dachhöhe durch die Straßen. Allerdings konnte ich bisher nicht ausfindig machen wo sie brüten.