Pedro G. Ferreira: Die perfekte Theorie

Chirp – Das Flüstern der Gravitationswellen

Cover Ferreira Perfekte Theorie

© C. H. Beck

Ein Meilenstein in der modernen Physik ist erreicht: erstmals gelang der direkte Nachweis von Gravitationswellen im Universum! Einstein hatte recht! An dieser Nachricht kommt man derzeit nicht vorbei.

Um diese Leistung richtig einordnen zu können, empfiehlt sich ein Blick zurück in die Wissenschaftsgeschichte. Dafür möchte ich Lesern mit Interesse an Physik das Buch Die perfekte Theorie von Pedro G. Ferreira ans Herz legen. Der portugiesische Astrophysiker, der zurzeit in Oxford lehrt, hat sich bereits als Student der Allgemeinen Relativitätstheorie verschrieben und sie zu seinem Schwerpunkt gemacht. Dieses spannende Buch ist das Ergebnis seiner mehr als 25-jährigen Forschung.

Gravitationswellen sind Verzerrungen in der Raumzeit, die von schweren Objekten ausgelöst werden, aber dennoch so schwach, dass sie für uns kaum messbar sind. Vor hundert Jahren sagte Einstein ihre Existenz in seiner Allgemeinen Relativitätstheorie voraus. In den 60er Jahren war Joseph Weber der erste, der Detektoren baute, um nach ihnen zu suchen, allerdings vergeblich. Pedro Ferreira erzählt von den hitzigen Diskussionen über die Existenz von Gravitationswellen und den vielen gescheiterten Versuchen, sie zu finden. Nur heftige kosmische Ereignisse wie die Explosion einer Supernova oder – wie gerade gemessen – der Zusammenstoß zweier Schwarzer Löcher verursachen Wellen, die eventuell nachweisbar sind.

„Selbst wenn ein Objekt groß genug ist, um große Mengen an Gravitationswellen zu erzeugen, sind diese Wellen nur ein ganz schwaches Flüstern, wenn sie sich durch die Raumzeit ausbreiten.“

Doch jetzt ist es gelungen! Das Flüstern der Gravitationswellen, welches das LIGO-Team der Weltöffentlichkeit kürzlich präsentierte, klingt wie ein Chirp. Und das ist erst der Anfang. Von der Gravitationswellenastronomie versprechen sich die Wissenschaftler neue Erkenntnisse über die Beschaffenheit von Himmelskörpern wie Schwarzen Löchern und Neutronensternen oder sogar über den Urknall selbst.

Dies ist jedoch nur ein Bestandteil der Relativitätstheorie, die Ferreira in seinem Buch Die perfekte Theorie schildert. Ausführlich zeichnet er darin Einsteins Wege zur Erkenntnis nach und beleuchtet dessen Zweifel und Widerstände gegen einzelne Aspekte der Theorie. Er porträtiert Koryphäen der Astronomie- und Physikgeschichte, die die Theorie weiterentwickelten wie Edwin Hubble, Georges Lemaître oder John Wheeler. Dabei erweist sich Ferreira als ungeheuer detailverliebt. Er berichtet von persönlichen Eigenarten der Wissenschaftler, den historischen Umständen, springt gelegentlich in der Chronologie der Ereignisse vor und zurück, um eine neue Idee und deren Erfinder einzuführen. Da raucht einem gelegentlich der Kopf angesichts der Fülle von Informationen. Wer hier physikalische Kenntnisse mitbringt, ist klar im Vorteil.

Besonders faszinierend sind Ferreiras Schilderungen von internationalen Konferenzen und Symposien, auf denen Wissenschaftler ihre Theorien präsentierten. Durch den regen Austausch dort wurde die Fantasie der Teilnehmer beflügelt, neue Ideen wurden geboren und die Wissenschaft immer weiter voran gebracht.

Ferreira beschreibt auch knapp die neuesten Entwicklungen der modernen Physik wie die Stringtheorie, die Supersymmetrie oder die  Schleifenquantengravitation. Hier wird versucht, die Relativitätstheorie mit der Quantenmechanik in Einklang zu bringen.

Nach 100 Jahren hat die Allgemeine Relativitätstheorie immer noch Bestand. Versuche, sie zu widerlegen, misslangen. Durch neue Erkenntnisse ist sie immer wieder bestätigt worden, so wie jetzt durch den Nachweis der Gravitationswellen.

In Ferreiras Buch Die perfekte Theorie wird ein aufregendes Jahrhundert der Wissenschaftsgeschichte lebendig beschrieben: die großen Kontroversen, die Einstein auslöste, die Erfolge und Rückschläge beim Versuch, sie zu beweisen, die vielen genialen Denker, die Einsteins Theorie weiterentwickelten, bis hin zur Physik des 21. Jahrhunderts – kurzum: mit vielen Fakten gespickt und absolut lesenswert!

Pedro G. Ferreira: Die perfekte Theorie – Das Jahrhundert der Genies und der Kampf um die Relativitätstheorie
Aus dem Englischen von Norbert Juraschitz und Friedrich Pflüger
C.H. Beck Verlag 2015, 320 Seiten
ISBN 978-3-406-66047-4
Leseprobe

Einige links zur Bedeutung von Gravitationswellen:
Beitrag von DRadio Wissen mit Chirp und Animation
Florian Freistetter im Blog Astrodicticum Simplex
Scinexx-Artikel mit Aussagen beteiligter Wissenschaftler

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3 Kommentare

  1. Hallo Petra,

    da muss ich meinen Beitrag wohl anpassen, denn der von mir verlinkte damalige Nachweis war ja ein Schuß in den Ofen ;-)
    Es freut mich übrigens, dass dir das Buch ebenfalls gefallen hat und danke, dass du die Erinnerung daran nochmal aufgefrischt hast.

    Liebe Grüße
    Marc

    • Hallo Marc,
      Du meinst sicher BICEP2. Die waren damals leider zu voreilig, aber hier hat es geklappt. Ich bin sehr gespannt auf weitere Messergebnisse und die Schlüsse, die sich daraus ziehen lassen!
      Viele Grüße, Petra

  2. Danke für den Buchhinweis – ich lese gerade alles darüber, was mir über den Weg läuft. LG

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