Endlich stehen sie fest: die Wissensbücher des Jahres 2024, ausgezeichnet vom Magazin bild der wissenschaft. In diesem Jahr waren 58 Bücher in sechs Kategorien nominiert. Die elfköpfige Jury wählte zusammen mit dem Publikum die Besten.
Hier im Blog stelle ich euch kurz und knapp die sechs Wissensbücher und die Sieger der Publikumswahl vor. Ausführliche Rezensionen von den Jurymitgliedern und weitere Infos findet Ihr auf wissenschaft.de und im Dezember-Heft von bild der wissenschaft.
Wissensbuch des Jahres 2024 – Die Gewinner
ÜBERBLICK:
Als bestes Buch dieser Kategorie wurde Material World von Ed Conway ausgezeichnet, ein vielschichtiges, umfangreiches Werk über sechs Rohstoffe, die für unsere Geschichte, Gegenwart und Zukunft entscheidend sind: Sand, Eisen, Salz, Öl, Kupfer und Lithium. Der preisgekrönte Wirtschaftsjournalist erzählt von der Förderung der Rohstoffe, von ihrer Verarbeitung und Verwendung. Er besuchte Bergwerke, Fabriken und Lagerstätten und macht durch seine Schilderungen die großen Warenströme über alle Kontinente sichtbar. Dabei wird klar, welche Schattenseiten selbst die Transformation zu Erneuerbaren Energien und Elektromobilität mit sich bringen. Das Buch ist absolut spannend zu lesen! Eine gelungene Mischung aus Geschichte und Materialkunde, Geo-Politik und Chemie, großartig erzählt und kurzweilig.
Von Mathematik im Tierreich über den Algorithmus für den Weltfrieden bis zur Kreiszahl Pi: Sieger der Publikumswahl ist das Buch Die fabelhafte Welt der Mathematik von der Wissenschaftsjournalistin und Podcasterin Manon Bischoff. Es enthält kurzweilige Geschichten und Anekdoten zum Beispiel über besondere Zahlen, über Statistik und über Mathe in Filmen und Serien wie „The Big Bang Theory“.
ZÜNDSTOFF:
Wir brauchen Platz. Zum Wohnen, für Straßen, Produktionsstätten und zum Anbau von Nahrung. Für Naturschutz, Erneuerbare Energien und vieles mehr. Doch der steht nicht unbegrenzt zur Verfügung. Das ist das Thema des Buches Der Grund. Die neuen Konflikte um unsere Böden von Christiane Grefe und Tanja Busse. Unsere Böden werden durch intensive Landwirtschaft ausgelaugt, Flächen werden versiegelt, Land ist ein Spekulationsobjekt. Wie gehen wir verantwortungsvoll mit dieser wertvollen Ressource um? Die beiden Journalistinnen schreiben wissenschaftlich fundiert, klar und verständlich über den Boden und die zahlreichen Kämpfe, die darum ausgetragen werden. Und sie zeigen Lösungen für die Gesundheit und Zukunft unserer Böden auf.
Sieger der Publikumswahl ist das Sachbuch Männer, die die Welt verbrennen. In seinem faktenreichen, durchaus polemischen Buch rechnet der Kognitionspsychologe und Journalist Christian Stöcker ab mit jenen, die von der Verbrennung fossiler Brennstoffe profitieren, mit Leugnern des Klimawandels, Lügnern und Verdrehern der Wahrheit und Propagandisten gegen die Wissenschaft, darunter Superreiche und Medienmogule – vorwiegend männlich.
ÜBERRASCHUNG:
Gewonnen hat der Band Verlassene Orte von Cal Flyn. Die schottische Essayistin nimmt uns mit zu zwölf Orten, die beispielhaft für Umweltverschmutzung und den rücksichtslosen Umgang mit der Natur stehen – und zugleich zeigt sie, wie die Wildnis, manchmal auch Menschen, sich diese Orte zurückerobern. Wir besuchen verstrahlte Sperrzonen und vergiftete Gewässer, klettern durch verrottende Industrieanlagen und aufgegebene Städte, wandern durch verlassene Kolchosen und zerstörte Landschaften – und doch schwingt Hoffnung mit. Wo einst die schlimmsten Gifte in Böden und Gewässer sickerten, macht sich wieder Leben breit: Tiere fanden einen Lebensraum, neue Wälder begrünen die Ruinen, Pflanzen zersetzen Metalle und Gifte. Das Leben findet einen Weg. Das alles kann aber nicht über die von Menschen verursachten Schäden hinwegtäuschen. Flyn schildert in atmosphärische Beschreibungen, was die Zerstörungen bei Mensch und Natur anrichteten. Sie thematisiert Bemühungen um Rückverwilderung, Renaturierung und die Rettung einzelner Arten – und mahnt davor, Gott zu spielen. Ein inspirierendes Buch!
Sieger der Publikumswahl ist das unterhaltsame, locker geschriebene Buch Die Superkräfte der Vögel von Silke Hartmann. Die als Vogelguckerin bekannte Hobbyornithologin teilt ihre Begeisterung für die fabelhaften Sinne der Vögel und ihre Sangeskunst. Sie gibt Beispiele für supergute Tarnung, bezaubernde Schönheiten, intelligente Arten und das Sozialverhalten der Vögel, und sie macht klar, warum das Beobachten von Vögeln uns guttut. Mit schönen Zeichnungen von Véro Mischitz und zahlreichen Fotos.
ÄSTHETIK:
Was leisten Vögel, warum verschwinden viele Arten und was passiert, wenn wir sie verlieren? Das sind die Themen in Sarah Heuzeroths fantastischem Buch Die Welt in einer Eierschale, das auch Sieger der Publikumswahl ist. Mit ihren Bildern thematisiert Heuzeroth eindrucksvoll die Bedeutung von Biodiversität und Artenverlust am Beispiel der Vögel. Sie zeigt, welche Fähigkeiten Vögel auszeichnen und worin ihre Bedeutung für unser aller Leben besteht – das gilt etwa für die Artenvielfalt in Wäldern und Gewässern, bei der Bestäubung von Pflanzen und der Verbreitung von Samen. Doch sie erzählt auch, wie Tiere durch intensive Landwirtschaft und zerstörte Ökosysteme ihre Lebensräume verlieren. Es gibt zwar Hoffnungsschimmer, zum Beispiel neue Schutzgebiete und renaturierte Wälder, doch das reicht noch nicht, um die Vogelwelt zu retten – dafür müssen auch wir uns einsetzen! Sarah Heuzeroth geht es nicht nur um die Vogelwelt. Sie macht klar, wie sehr das Leben aller Organismen miteinander vernetzt ist und wie gravierend das Fehlen einzelner Arten sich auswirkt, zum Beispiel bei der Ausrottung von Spatzen in China im Jahr 1958. Der Illustratorin ist ein sehr durchdachtes und durchgestyltes Bilderbuch für Erwachsene gelungen, mit tollen grafischen Elementen und coolen Symbolen. Sie arbeitet mit erdigen Farben und lässt dynamisch Texte über die Seiten fließen. Ihre Schwerpunkte als Illustratorin sind Klimagerechtigkeit, Ökologie und gesellschaftlicher Wandel. Ich bin gespannt auf weitere Bücher!
UNTERHALTUNG:
Klarer Sieger dieser Kategorie ist die Romanbiografie Lorenz, ein Buch über den berühmten Verhaltensforscher, Nobelpreisträger und Gänsevater Konrad Lorenz. Die Wissenschaftsjournalistin Ilona Jerger zeigt uns Lorenz als Naturforscher, der immer von einer Vielzahl von Tieren umgeben war, darunter die geliebte Graugans Martina. Jerger nimmt uns mit zu den Stationen seines Lebens und gibt Einblicke in sein Denken und Wirken. Doch wir erleben auch seine Faszination für die Rassenideologie der Nationalsozialisten. Mit leichter Hand verknüpft die Autorin das Leben des Forschers mit Ereignissen aus der Geschichte. Sie lässt Zeitgenossinnen und -genossen wie Hannah Arendt, Paul Celan, Martin Heidegger und Willy Brandt zu Wort kommen und zitiert aus Reden und Briefen. So tauchen wir ein in die Zeit des Nationalsozialismus, der Nachkriegszeit und des Kalten Kriegs. Später erleben wir Lorenz als engagierten Naturschützer und Bestsellerautor, dessen Ideen über angeborenes oder erlerntes Verhalten umstritten sind. Und wie werden seine Theorien heute diskutiert? Die Autorin fand eine clevere Lösung für die Verbindung zur Gegenwart: Erzählt wird Lorenz´ Lebensgeschichte von einer jungen Ornithologin und Gänseexpertin, die Lorenz bewundert und von ihrer Arbeit erzählt. So fließen neue Erkenntnisse zum Tierverhalten in das Buch ein. Schon Ilona Jergers Roman Und Marx stand still in Darwins Garten war sehr informativ und unterhaltsam. Auch ihr neues Buch liefert wieder viele Hintergründe und Informationen. Es ist gründlich recherchiert und hervorragend erzählt!
Auch der Sieger der Publikumswahl hat etwas mit Graugänsen zu tun: In Die erstaunliche Welt der Graugänse erzählt die Verhaltensbiologin und Ornithologin Sonia Kleindorfer, in Zusammenarbeit mit Patricia McAllister-Käfer, von ihrem beruflichen Werdegang und von ihrer Forschung an Graugänsen als Leiterin der Konrad Lorenz Forschungsstelle im Almtal.
PERSPEKTIVE:
In der Kategorie für Kindersachbücher gewann das originell gestaltete Buch Hinauf ins Himmelblau von Gianumberto Accinelli und Giulia Zaffaroni, für Kinder ab 8 Jahren. Wir machen eine Reise vom Erdboden bis ins Weltall – und so blättern wir auch von unten nach oben. Auf jeder Seite gibt es eine Einteilung in Metern. So erfahren wir, was in den einzelnen Luftschichten zu finden ist, treffen auf Insekten und Vögel, den Pappus des Löwenzahns, Gewitterwolken und Meteoriten. Es gibt ganze Seiten mit leuchtenden Nachtwolken und Polarlichtern. Aber auch Objekte wie Drohnen, Flugzeuge und Satelliten fliegen durch den Raum. Die Illustrationen von Giulia Zaffaroni sind wunderschön und bewegen sich auf immer dunklerem Untergrund – bis ins fast schwarze All. Bereits 2017 wurde Gianumberto Accinellis Kindersachbuch Der Dominoeffekt als Wissensbuch des Jahres ausgezeichnet. Glückwunsch zur erneuten Auszeichnung!
Sieger der Publikumswahl ist das Sachbuch BiBiBiber hat da mal ’ne Frage: Warum leuchten Sterne? Darin erklären die Wissenschaftsjournalistin und Fernsehmoderatorin Mai Thi Nguyen-Kim und die Autorin und Illustratorin Marie Meimberg Kindern ab 7 Jahren Wissenswertes über das Universum: wie es entstand, wie Atome aufgebaut sind und wie staunenswert Pflanzen sind. Mit tollen Ideen und witzigen Sprachspielen geht um den Teilchen-Tanz, die Bausteine der Welt und die Physik des Alltags.
Herzlichen Glückwunsch an die Autorinnen und Autoren der ausgezeichneten Werke! Ihre Bücher sind eine Bereicherung für Wissbegierige und werden uns die dunkle Jahreszeit erhellen. Auch unter den übrigen Büchern, die nominiert waren, gibt es fabelhaften Lesestoff und Weihnachtsgeschenke für Kinder und Erwachsene mit Wissensdurst. Viel Spaß beim Stöbern!
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Eine gute Wahl :-)