Wort-Schätze: Knick

Seltsame Namen und Bezeichnungen, unbekannte Bedeutungen hinter vertrauten Wörtern, alte Begriffe, die kaum noch verwendet werden – immer wieder stoße ich auf interessante Fundstücke, vor allem in Büchern, denn die lese ich aufmerksamer als so manchen Artikel im WorldWideWeb. Als Schülerin griff ich ständig zum Fremdwörterduden, um Wörter lateinischen und griechischen Ursprungs zu ergründen. Aber auch Wörter mit ungewöhnlichem Klang haben mich schon immer fasziniert. Das Buch Die verlorenen Wörter von Robert Macfarlane und Jackie Morris gab den Anstoß, endlich mit dieser Serie zu beginnen und einige meiner Wort-Schätze zu teilen.

Knick als Begrenzung zwischen Weinberg und Weg

 

Knick: Gemeint ist nicht der Knick im Papier oder der vermeintliche Knick in der Pupille, sondern die in Norddeutschland gebräuchliche Bezeichnung für einen aufgetürmten Erd- oder Steinwall. Das Wort stammt aus dem Mittelniederdeutschen. Knicke, oder auch Knicks, sind mit verschiedenen Gehölzen wie Weißdorn, Schlehen, Brombeeren und Heckenrosen bepflanzt. Sie dienen als Feld- oder Weidenbegrenzung und Erosionsschutz. Außerdem bieten sie Lebensraum für viele Insekten, Vögel und andere Kleintiere. Daher gelten sie auch als lebendige Hecken. Der Begriff Knick geht zurück auf das Knicken bzw. Beugen und Verflechten junger Zweige.

Als niedersächsisches Kind vom Lande hätte ich das Wort kennen können! Doch in meiner Verwandtschaft, die Landwirtschaft betrieb, ist es mir nie begegnet. Kaum hatte ich diesen norddeutschen Wort-Schatz in einem Sachbuch entdeckt, da benutzte es jemand in meiner neuen Heimat, der Pfalz: in einer Baumschule fragte ich nach dem Pfaffenhütchen (noch so ein Wort-Schatz!), worauf die Gärtnerin sagte, dieser Strauch wüchse ja häufig in den Knicks, die die Weinberge begrenzen. An so einem Ort hatte ich das Pfaffenhütchen tatsächlich für mich entdeckt. Aber was für eine Überraschung, ausgerechnet in Südwestdeutschland auf den Begriff Knick zu treffen! Es ist den norddeutschen Wurzeln der Gärtnerin zu verdanken.

 

Pfaffenhütchen oder auch Rotkehlchenbrot

Knicks werden durch die Flurbereinigung in der Landwirtschaft immer seltener, wie Sabine Dohrn in ihrem lesenswerten Buch Das Ende der Natur erläutert. Und damit geht auch wertvoller Lebensraum für viele Arten verloren. In Bundesländern wie Schleswig-Holstein und Niedersachsen stehen Knicks mittlerweile unter Naturschutz, allerdings unter dem Begriff Wallhecken.

Noch ist das Wort Knick mit seiner speziellen Bedeutung nicht verschwunden. Zuletzt las ich es im wunderbaren Roman Mittagsstunde von Dörte Hansen. Wo der spielt? In einem nordfriesischen Dorf, dessen Niedergang mit der Flurbereinigung in den 70er Jahren begann.

Fundort: Das Ende der Natur von Susanne Dohrn

Alle Wort-Schätze gibt es hier: https://www.elementareslesen.de/tag/wort-schaetze/

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14 Kommentare

  1. Sehr schöne Idee für eine Serie, die mich gleich inspiriert, mir selbst Gedanken um schöne alte Wörter zu machen!

    Ich wohne mit Aussicht auf einen Knick (Hab sogar einen eigenen kleinen!). Der Knick muss alle paar Jahre „gelegt“ werden, d.h. zurückgeschnitten. Denn wenn sich die Gehölze zu Bäumen auswachsen, ist der Windschutz dahin. Deshalb werden dort meist Gehölze verwendet, die auch nach radikaler Kürzung sofort wieder austreiben (Haselnuss, Weide, Weißdorn etc.). Das macht man im Winter, und es ist eine Höllenarbeit!

    Ein sehr schönes Wort in dem Zusammenhang, das bei mir auch Kindheitserinnerungen weckt, ist der Redder. Viele Straßen im Norden Hamburgs & in Holstein heißen -Redder, meine Großeltern wohnten in einem solchen. Dabei handelt es sich ursprünglich um einen Feldweg, der zwischen Knicks bzw. Hecken verläuft. Wenn der Knick hoch steht, sind es richtige grüne Tunnel mit einer ganz eigenen Magie*. Manchmal werden die Knicks dann gelegt & man erkennt die Gegend kaum wieder. lebendige Kulturlandschaft.

    *siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Redder (schönes Foto)

    • Wow, der Redder ist ja die perfekte Ergänzung zum Knick, denn es ist sogar ein Doppelknick, wie der Wiki-Artikel besagt – toll, dass du auf diesen Begriff verweist! Solch einen magischen Ort habe ich schon lange nicht mehr gesehen. Hier in den Weinbergen der Pfalz, die übrigens Wingert genannt werden, gibt es nur noch wenige Knicks. Mein Dorf hinkt zum Glück ein bisschen hinterher, da noch keine Flurbereinigung stattfand. Nach einem Rückschnitt sieht es erstmal katastrophal aus, aber es dauert nicht lange, bis alles wieder austreibt.

    • Das klingt tatsächlich nach Magie :-)

  2. > Nach einem Rückschnitt sieht es erstmal katastrophal aus

    Jo. Als Kind hab ich mich immer aufgeregt über die „Zerstörung der Natur“ :) Musste erst lernen, dass das seine Richtigkeit hat, und dass Natur- und Kulturlandschaft zwei verschiedene Dinge sind.

    > toll, dass du auf diesen Begriff verweist

    Sehr gern. Ich finde das wie gesagt sehr inspirierend und werde sicher in nächster Zeit noch genauer auf schöne alte Wörter achten & drüber nachdenken.

  3. Eine wunderbare Idee!
    Obwohl ich auch aus dem nördlichen Teil Deutschlands komme, habe ich das Wort Knick in diesem Sinne noch nie gehört. In der Uckermark gibt es in den Feldern oft Senken, die rundherum mit Büschen bewachsen sind. Wir nennen das ein Bruch (das und mit langem u). Leider fallen auch die Brücher immer häufiger der Flurbereinigung zum Opfer. Lieben Gruß, Peggy

    • Spannend, so kommen immer mehr Wort-Schätze zusammen! Danke, liebe Peggy

    • Das mit dem langen u ist ja interessant, auch im Plural. Also analog zu Buch und Bücher. Für mich war ein Bruch immer eher ein Moor oder so (‚Brook‘ auf Platt). Die Miniseen auf dem Acker kenne ich als Soll. Als Kind kannte ich das Wort allerdings noch nicht, da waren das einfach kleine Teiche. Manche lagen sehr versteckt, von keinem Weg aus sichtbar, irgendwie verwunschene Orte, die man als Geheimnis behalten konnte. Man musste immer aufpassen, dass einen der Bauer nicht erwischt, wenn man dort hin ging; das machte es zu einem echten Abenteuer …

  4. Tolle Idee! Bei dir lerne ich einfach immer was dazu, nun also auch Wortbedeutungen und die fundiert erklärt, das ist schön!
    Bin schon gespannt auf die Fortsetzungen!

  5. Eine sehr schöne Idee. Ich freue mich schon auf weitere folgen. Moschekiepchen , sächsisch für Marienkäfer. Gruß Frank

  6. Eine schöne Serie beginnst Du da!
    Da wünsche ich mir so manches „verstaubte“ :-)

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