Barbara Frischmuth: Der unwiderstehliche Garten

Frischmuth GartenAls Gartenneuling hat mich schon der Titel des jüngsten Buches von Barbara Frischmuth angelacht: Der unwiderstehliche Garten! Die österreichische Schriftstellerin setzt sich darin mit der Kulturgeschichte des Gärtnerns und der aktuellen Forschung zu den Fähigkeiten von Pflanzen auseinander. Darüber hinaus schreibt sie, wie schon in ihren früheren literarischen Gartenbüchern, über das Leben mit ihrem heißgeliebten Garten in einem steierischen Alpendorf. Vor über 25 Jahren hat sie ihn einem Grundstück mit Hanglage abgetrotzt und ständig erweitert. Eine tolle Mischung also!

Mit zunehmendem Alter fällt der Autorin die harte Arbeit im Garten schwerer. Daher hat sie beschlossen, ihn endlich zu verkleinern. Doch kaum ist ein Beet freigeräumt, schon finden sich Pflanzen, die den Platz einnehmen können. Und so werden wir Zeugen ihrer vergeblichen Bemühungen, sich die Arbeit zu erleichtern. Vor allem die Leidenschaft für die Schwertlilie oder Iris hat in all den Jahren für einen stetigen Zuwachs an neuen Arten mit immer fantastischeren Blüten und Namen gesorgt. Auch damit soll Schluss sein, doch es kommt natürlich anders, wie die Autorin selbstironisch bekennt. Der Iris sind sogar vier Kapitel gewidmet, in denen sie ihrer “Besessenheit” Ausdruck verleiht.

Frischmuths Überlegungen zur möglichen Intelligenz und zum Bewusstsein der Pflanzen fand ich besonders aufschlussreich. Sie stellt nicht nur die wichtigsten Ideen aus botanischen Werken von Josef Reichholf, Michael Pollan, Daniel Chamovitz und anderen vor. Auch die Theorien des Italieners Stefano Mancuso zur Pflanzenneurobiologie, dessen Buch ich hier bereits vorgestellt habe, hat sie studiert.

Pflanzen haben mehr Sinne als wir Menschen. Sie sind fähig, uns zu manipulieren und mit uns zu kommunizieren. Das hat Frischmuth am eigenen Leib erfahren. Sie erzählt von einer Episode mit ihren geliebten Iris-Pflanzen, die von einem Käfer befallen waren:

Während ich jäte, […] erreicht mich ein Hilferuf. Weder hörbar noch sichtbar, nur spürbar. Ich lasse alles liegen, wo es ist, und eile zu den Lilien. Wobei ich mich selbst ein wenig lächerlich finde. Da mein Blick nach all den Jahren einigermaßen darin geübt ist, entdecke ich den kleinen, leuchtend roten Käfer sofort, der sich zwischen den frischen Lilienblättern eingerichtet hat. […] Wer immer  mir den Hilferuf übermittelt hat und über welches geheime Medium, muss auf der Seite der Lilien stehen. Oder ist es mein eigenes Gehirn, das bereits im plant wide web surft, sozusagen auf eigene Faust, ohne mir pflichtschuldigst Mitteilung davon zu machen?

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Einfach köstlich, solche Beobachtungen. Ein Garten verändert im Laufe der Zeit offenbar den Gärtner. Barbara Frischmuth hat viel ausprobiert, sich immer wieder verlocken lassen, Überraschungen und Enttäuschungen erlebt, sich ganz auf ihr Projekt eingelassen und ihre Lektionen gelernt.

Beschreibungen von der Gartenarbeit im Jahresverlauf wechseln sich ab mit den Gedanken, die die Autorin aufgrund der Lektüre zahlreicher botanischer Werke bewegen: Was ist ein Garten? Was treibt uns an, einen Garten zu gestalten und zu bewirtschaften? Ist es das Trachten nach Schönheit? Nach Perfektion? Oder der Wunsch, sich um etwas zu kümmern? Barbara Frischmuth stellt uns Cura, die römische Göttin der Fürsorge, vor, von der z.B. die Wörter “Care” und “kurieren” abgeleitet sind. Cura hat den Menschen aus Lehm erschaffen und ihm die Pflege des Bodens auferlegt. Doch Gärtnern bedeutet nicht nur Last und Arbeit, sondern auch Befriedigung und Kontemplation.

Vielleicht ist es gerade dieser ununterbrochene Wechsel von Distanz und Nähe, von Jäten und Pflanzen, von Welken und Wachsen, von Kampfbereitschaft und Friedfertigkeit, von Erregung und Gelassenheit, was den Garten ausmacht. Das gemeinsame Projekt der verschiedensten Wesen, deren jedes Teil des verrücktesten kosmischen Projekts überhaupt ist, nämlich des Lebens, das sich, einmal entstanden, Milliarden von Jahren darum gekümmert, ja darum gekämpft hat, diese Erde ganz und gar lebbar zu machen.

 

Ein wunderbares, inspirierendes Gartenbuch mit Reflexionen über Pflanzen und das Gärtnern, zwischen rationaler Abwägung und irrationaler Leidenschaft. Am Ende der Lektüre vermisse ich nur ein Literatur- und Stichwortverzeichnis, um den verlockenden Hinweisen der Autorin leichter folgen zu können. Ich geh dann mal Unkraut zupfen. Denn selbst diesen Aspekt des Gärtners finde ich unwiderstehlich!

Barbara Frischmuth: Der unwiderstehliche Garten – Eine Beziehungsgeschichte
mit bezaubernden Zeichnungen von Melanie Gebker
Aufbau Verlag 2015, 240 Seiten
ISBN 978-3-351-03585-3
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7 Kommentare

  1. Danke für den Tipp, ein brauchichunbedingt-Buch!
    lg Erich

  2. Werte Petra,
    danke für diese herzergrünende Besprechung.
    Den Untertitel “Eine Beziehungsgeschichte” finde ich bereits sehr vielsagend.
    Da ich selber auch ein Gärtchen beackere, weiß ich nur zu gut, wie sehr einem der Garten und seine Bewohner ans Herz wachsen und bis in die nächtlichen Träume hineinranken …
    Sonnenuntergängliche Grüße
    Ulrike

  3. Hat mich überrascht, Barbara Frischmuth in Zusammenhang mit einem, wenn auch ungewöhnlichen, Garten-Buch hier anzutreffen.
    Sehr schöne Besprechung, die Auszüge verlangen nach eingehender Lektüre.
    Schönen Sonntag.
    HS

    • Vielen Dank! Gerade die vielen Ausflüge in die Wissenschaft machen den Reiz dieses Buches aus.
      Viele Grüße, Petra

  4. Liebe Petra,
    das ist ja nun ein Blatt!schuss von ganz unerwarteter Seite. Frau Frischmuth ist für mich ja immer noch und vor allem die Autorin des Buches ‘Kai und die Liebe zu den Modellen’. Aber ein Gartenbuch? Und dann noch so ein spezielles! Deine Besprechung hat mich sehr neugierig gemacht und als Gärtnersohn werd ich mir das Buch wohl bald mal zulegen.
    Liebe Grüsse
    Kai

    • Oh, ein Gärtnersohn! Dann brauchst du das Buch natürlich ;-) Die Sternwieser-Trilogie habe ich vor Urzeiten mal sehr gern gelesen, inkl. dem Kai-Band. Wenn ich doch bloß die Zeit hätte, sie wieder zu lesen.
      Liebe Grüße, Petra

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