Helen Scales: Im Auge des Schwarms

Cover Scales Im Auge des Schwarms

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Wann ist ein Fisch ein Fisch? Oder besser gesagt: welche Wassertiere gelten definitiv als Fische? Und wodurch grenzen sie sich von anderen Lebewesen der Flüsse und Meere ab? Helen Scales, Meeresbiologin, begeisterte Taucherin und Autorin zahlreicher BBC-Dokumentationen über die Unterwasserwelt, kennt sich aus. In ihrem Buch Im Auge des Schwarms nimmt sie uns mit auf eine abenteuerliche Reise ins Reich der Fische.

Für den antiken Philosophen Aristoteles war die Sache klar: Fische sind im Wasser lebende Tiere – ohne Füße, dafür mit Flügeln oder Flossen und meist mit Schuppen ausgestattet. Erst im 17. Jahrhundert wurde diese Vorstellung um einen Aspekt erweitert: Fische galten nun als Wassertiere mit Knochen. Das ist inzwischen überholt, gibt es doch zahlreiche Arten mit Wirbeln oder Knorpeln statt Knochen. Die genaue Zuordnung ist allerdings nicht abschließend geklärt, sie ist sogar ständig im Fluss, wie in diesem Buch deutlich wird. Auf der Suche nach Erkenntnissen stöberte Helen Scales in historischen Nachschlagewerken, die sie so anschaulich beschreibt, dass man sie am liebsten selbst in die Hand nehmen möchte, um die wunderbaren alten Abbildungen zu betrachten. Was feststeht: Der Stammbaum der Fische umfasst 12 Gruppen, von den Schleimaalen über die Quastenflosser bis zu den Echten Knochenfischen, die mit 96 Prozent aller Arten die größte Gruppe darstellen.

Als Taucherin ist Helen Scales schon vielen Fischen begegnet. Sie erforschte als Doktorandin die Fortpflanzung der Napoleon-Lippfische, beobachtete Heringsschwärme, tauchte mit Mantarochen und Walhaien und erlebte bei nächtlichen Tauchgängen mithilfe von Blaulicht die überwältigende Leuchtkraft fluoreszierender Fische. Ihre Beobachtungen unterfüttert sie locker und verständlich mit aktuellen Forschungserkenntnissen.

In ihrem Buch zeichnet sie knapp die Evolution der Fische nach und erzählt von spannenden Fragen der Forschung: Wann entstanden die ersten Lebewesen mit Kiemen? Wie entwickelten sich aus Lungen die Schwimmblasen? Welche Arten waren die Vorfahren der Landwirbeltiere? Wie rasch können sich Fische an neue Umweltbedingungen anpassen? Auch das Schmerzempfinden von Fischen – lange Zeit wurde bezweifelt, dass Fische die entsprechenden Rezeptoren besitzen – wird inzwischen intensiv erforscht.

Mit anschaulichen Beispielen geht die Autorin auf verschiedene Merkmale der Fische ein: ihre Navigationskünste durch die Weltmeere, die Kommunikation mithilfe von Farben und Geräuschen, ihre Überlebensstrategien, soziale und kognitive Fähigkeiten. Sie stellt Papageienfische vor, die sich von Korallen ernähren; sie erläutert die soziale Kompetenz der Putzerlippfische, die genau wissen, wie sie verschiedene Raubfischarten von Parasiten befreien, ohne selbst gefressen zu werden; und sie gibt uns Einblicke in Angriffs- und Verteidigungsstrategien mittels Giften. Spannend sind auch die Erkenntnisse zum komplexen Schwarmverhalten der Fische. Das Leben im Schwarm ist energiesparend und schützt die Fische vor Angreifern. Schwärme agieren offenbar nicht wie ein autonomer Superorganismus. Stattdessen gibt es Anführer und Mitläufer.

Im Auge des Schwarms ist ein anekdotenreicher Überblick über das Leben der Fische. Die Autorin stellt außerdem Pionier*innen der Meereskunde vor und erzählt Fischmärchen aus aller Welt, die zeigen, was Fischen so alles zugeschrieben wird. Jedem Kapitel ist eine Illustration von Aaron John Gregory mit zentralen Fischarten vorangestellt. Ein schöner Schmöker, der uns die Augen öffnet für die immense Vielfalt in den Gewässern der Welt!

Begeisterung auch bei der Biologin Bettina Wurche in ihrem Blog Meertext!

Helen Scales: Im Auge des Schwarms – Von Fischen, dem Meer und dem Leben
Originaltitel: Eye of the Shoal
Aus dem Englischen von Christine Ammann
Folio Verlag 2020, 357 Seiten mit Illustrationen von Aaron John Gregory
ISBN 978-3-85256-806-5
Leseprobe

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3 Kommentare

  1. Darauf freue ich mich. Solche Bücher sind wichtig, weil man sehr viel lernen kann, wie ich finde. Viele Grüße

  2. Das klingt auch recht interessant.

  3. Dass die Autorin eines Buchs über Fische Scales heißt, finde ich einfach großartig. Kein sonderlich tiefschürfender Kommentar, doch die Freude über dieses Zusammentreffen kommt von Herzen. Liebe Grüße aus Mexiko!

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