Holger Schulz: Boten des Wandels

Cover Schulz Boten des Wandels

© Rowohlt

Weißstörche pendeln Jahr für Jahr Tausende von Kilometern zwischen ihren mitteleuropäischen Brutgebieten und den Winterquartieren in Afrika. Doch auf welchen Strecken sie ziehen und welchen Gefahren sie unterwegs begegnen, darüber konnte man lange Zeit nur spekulieren. Erst seit Vögel mit Sendern versehen werden, ist es möglich, mehr über ihre Lebensweise zu erfahren. Der Ornithologe und Tierfilmer Holger Schulz hat sein Leben der Erforschung dieser faszinierenden Zugvögel gewidmet. In seinem Buch Boten des Wandels berichtet er von seinem beruflichen Werdegang und den vielen Projekten zum Schutz der Störche, an denen er beteiligt war.

Zu den Stationen seines Berufslebens gehören der Einsatz für das WWF-Weißstorchprojekt, Aufbau und Leitung des NABU-Instituts für Wiesen und Feuchtgebiete im Storchendorf Bergenhusen, die Leitung des Schweizer Projekts SOS Storch und weitere Forschungsaufträge, die im Buch nur gestreift werden.

Vor allem aber nimmt uns Holger Schulz mit zu seinen abenteuerlichen Reisen auf der Spur der Störche. Viele Male war er unterwegs, um ihre Zugrouten zu erforschen, erst auf der Ostroute über den Bosporus und den Nahen Osten bis nach Südafrika, und später auf der Westroute über Spanien und Gibraltar hinunter bis in die Sahelzone. Er bereiste große Teile des afrikanischen Kontinents, durch Wüsten und Gebirge, und hatte mit schlechter Infrastruktur, altersschwachen Fahrzeugen, brüllender Hitze und Insektenplagen zu kämpfen. Begegnungen mit korrupten Grenzbeamten, leidenschaftlichen Naturschützern und hilfsbereiten Menschen unterbrachen den Alltag auf diesen langen Strecken.

Unterwegs lernte Schulz viel Überraschendes über die enorme Anpassungsfähigkeit der Störche. Ihre Nahrung suchen sie dort, wo es am bequemsten ist. Sie ziehen zum Beispiel dorthin, wo Wanderheuschrecken oder andere Insekten in Scharen auftreten. Sie landen aber auch auf Mülldeponien in Spanien, wo sie den Zeitpunkt, wenn Nachschub kommt, genau abpassen, um sich auf die Essenreste zu stürzen. Dort kommt es immer wieder zu Problemen mit Plastikmüll, in dem sie sich verheddern!

Vor allem die Veränderungen durch satellitengestützte Technik erlaubt bessere Einblicke in ihre Lebensweise als je zuvor. Dadurch erkennen die Forscher auch die zahlreichen Bedrohungen auf der langen Reise der Störche. Nicht nur das Wetter, auch der Mensch gefährdet ihr Leben, zum Beispiel wenn Pestizide ihre Insektenkost dezimieren oder wenn sie von Wilderer gejagt werden. Besonders viele Störche fallen dem Stromtod durch Hoch- und Mittelspannungsleitungen zum Opfer – mit seinen engagierten Teams erlebte der Ornithologe viele Verluste unter den besenderten Störchen.

Eindrucksvoll sind besonders seine Schilderungen vom eleganten Flug der Störche, die mit der Thermik segelnd in die Höhe steigen und kraftsparend im Gleitflug unterwegs sind, und seine Beobachtungen von Abertausenden Störchen in den afrikanischen Überwinterungsgebieten – ein Anblick, den wir uns in Europa gar nicht mehr vorstellen können.

Was ist für den Schwund der Vogelbestände verantwortlich? Im Storchendorf Bergenhusen konnte Holger Schulz die Brutzeit und die Aufzucht der Jungvögel aus nächster Nähe beobachten und sich ein Bild von den Veränderungen in unserer Agrarlandschaft machen. Der Verlust von Wiesen und Feuchtgebieten reduziert die Nahrungsquellen der Störche und trägt dazu bei, dass weniger Jungvögel ausgebrütet werden als in den vergangenen Jahrhunderten. Aber es besteht Hoffnung für den Weißstorch – dank seiner enormen Flexibilität und der Zusammenarbeit zwischen Naturschutz und Landwirtschaft.

Das Sachbuch Boten des Wandels verknüpft die Autobiografie des Autors mit dem Abenteuer Forschung. Das Wissen, das Holger Schulz in Jahrzehnten Feldforschung über die Lebensweise der Störche angesammelt hat, breitet er hier lebendig aus. Zahlreiche Fotos im Buch runden seinen Bericht ab.

Weitere Meinungen findet Ihr auf dem Blog Treibholzinsel von Karina Sobisch und in Elke Brüsers Blog Flügelschlag und Leisetreter – beides Fundgruben für Ornis und Naturverbundene!

 

Holger Schulz: Boten des Wandels – Den Störchen auf der Spur
Rowohlt Polaris 2019, 288 Seiten mit zahlreichen Farbfotos
ISBN 978-3-499-63370-6
Leseprobe

Nominiert als Wissensbuch des Jahres 2019 in der Kategorie Überblick

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