Neugierig auf die weite Welt, immer auf der Suche nach neuen Erkenntnissen, rastlos und energiegeladen – so lernen wir Alexander von Humboldt, den berühmten Naturforscher des 19. Jahrhunderts, in dem großartigen Kinder-Sachbuch Alexander von Humboldt oder Die Sehnsucht nach der Ferne kennen. Der Text stammt vom freiberuflichen Journalisten Volker Mehnert. Als Autor vieler Reiseführer über Mexiko und die USA ist er selbst schon auf den Spuren Humboldts gewandelt. Die fantastischen Illustrationen haben wir der Grafikerin und Künstlerin Claudia Lieb zu verdanken, welche auch schon das preisgekrönte Kinder-Sachbuch Die wunderbaren Reisen des Marco Polo illustrierte.
Volker Mehnert schildert die Lebensgeschichte Humboldts äußerst kurzweilig und spannend, von dessen Kindheit im preußisch geprägten Berlin über die Reisen durch Süd- und Mittelamerika bis zu seinen produktiven letzten Jahren, zurück in seiner Geburtsstadt Berlin. Er beschreibt Humboldt als mäßig begabten Schüler, der viel lieber hinaus in die Natur geht und alles untersucht, statt im heimischen Studierzimmer den Lernstoff durchzuackern. Besonders die fremdartigen Pflanzen im Botanischen Garten faszinieren den Jungen. Reiseberichte verschlingt er geradezu, und bald ist der Wunsch nach eigenen Reisen in ferne Länder geweckt. Doch erst nach dem Tod seiner Mutter kann Humboldt seinen Traum vom Reisen verwirklichen. In Paris findet er einen Gefährten: den an Botanik interessierten Aimé Bonpland, der ihn auf seiner Südamerika-Reise begleitet und ein enger Freund wird.
Ob es um die Besteigung des Vulkans Pico del Teide auf Teneriffa geht oder um die abenteuerliche Fahrt auf dem Orinoco, immer ist Alexander von Humboldt die treibende Kraft. Beschwerliche Aufstiege zu den Vulkanen der Anden und Ausflüge in die Silberminen Mexikos schrecken ihn nicht. Kein Abenteuer ist ihm zu gefährlich, keine Weg zu weit, um neue Erkenntnisse zu gewinnen. Manchmal muss Aimé Bonpland ihn bremsen! Durch den Kontrast zu seinem Begleiter Bonpland treten Humboldts Unternehmungslust und Wissbegier noch stärker zutage. Beide Männer sind begeistert vom Reisen und all den unbekannten Pflanzen, die sie auf dem fernen Kontinent entdecken. Doch Bonpland ist ängstlicher und kränkelt leicht. Statt ständig unterwegs zu sein, braucht er Phasen des Müßiggangs. Als guter Freund erträgt er Humboldts Rastlosigkeit und ständige Planänderungen mit Engelsgeduld.
Durch die Erzählperspektive im Präsens ist man immer mittendrin im Geschehen und erlebt Alexanders Abenteuer, seine Vermutungen und Erkenntnisse hautnah mit. Auch bei den größten Anstrengungen und Gefahren muss Alexander seine Messungen durchführen. Er interessiert sich für alles! Für die Erdgeschichte, die Tiere und Pflanzen, für die Bewohner der Länder, die er bereist, für die Ideen der Politiker und anderer Wissenschaftler. Ständig entdeckt er neue Zusammenhänge in der Natur und begreift, dass die Lebensweise der Menschen einen tiefgreifenden Einfluss auf die Umwelt hat. Er bewundert die kulturellen Leistungen untergegangener Völker und ist zutiefst abgestoßen von Sklaverei und Unterdrückung. Seiner Zeit ist er weit voraus!
Die späteren Lebensphasen nehmen im Buch einen geringen Raum ein. Kurz und knapp schildert Mehnert Humboldts Jahre in Paris, in denen er Reiseberichte und naturwissenschaftliche Werke verfasste, die Russland-Reise und die Zeit in Berlin, als Humboldt das Publikum mit seinen Kosmos-Vorträgen begeisterte. Mehnert gelingt es dank seiner mitreißenden Schilderungen, bei jungen Lesern Interesse für Humboldts Ideen und für seinen Naturbegriff zu wecken. Man gewinnt einen Eindruck von dessen Charisma und versteht, warum Humboldt mit seinem offenen Blick sowohl für die Natur als auch für die Menschen auch heute noch so inspiriert. Das alles ist spannend erzählt und eignet sich für junge Lesende von 10 bis 12 Jahren – oder als Vorlesestoff für die ganze Familie.
Neben der biografischen Erzählung gibt es im Buch viele kleine Einschübe mit Hintergrundinformationen, zum Beispiel zu den politischen Umständen, zur Botanik oder Geologie. Wichtige Persönlichkeiten wie Simón Bolívar, Charles Darwin und Caroline von Humboldt werden auf einer Extraseite kurz porträtiert. Außerdem verfügt das Buch über weiterführende Lesetipps, Hörbuch-, Film-, Museums- und Web-Tipps über Alexander von Humboldt sowie ein Register.
Claudia Lieb bereichert die Erzählung mit ihren fantastischen Illustrationen von weiten Landschaften, Blütenpracht und wilden Tieren, bunt und großformatig oder als einfarbige Miniaturen. Zwei Zeichnungen haben mich besonders begeistert: ein Cyanometer vor düsterem Himmel – damit misst man die Intensität des Himmelsblaus, und die Zeichnung eines aztekischen Sonnensteins, über den Käfer zu krabbeln scheinen – als ob Humboldts Notizbuch vor mir läge! Dazu kommen Skizzen der Messinstrumente und wunderbare Karten, auf denen alle Reise-Etappen nachvollziehbar sind.
Dem Autorenteam ist es gelungen, auf nur 112 Seiten ein umfassendes und treffendes Bild von Alexander von Humboldt zu zeichnen – erstaunlich! In hinreißenden Bildern und lebendigen Schilderungen erfahren wir alles Wesentliche über dessen Leben und Wirken. Absolut empfehlenswert!
Volker Mehnert/Claudia Lieb: Alexander von Humboldt oder Die Sehnsucht nach der Ferne
Gerstenberg Verlag 2018, 112 Seiten mit farbigen Illustrationen
ISBN 978-3-8369-5999-5 Halbleinen
Ab 10 Jahren
Das klingt wirklich gut! Werde ich mir als Geschenktipp vormerken.
Eine Frage: darf man bei einer Buchrezension eigentlich ein paar Fotos der Innenseiten zeigen? Ich habe mir jetzt die Website der Illustratorin angesehen (große Klasse), aber ich hätte es auch schön gefunden, hier ein paar Beispiele ihrer Kunst zu sehen.
Leider gab es keine Leseprobe zu diesem schönen Buch. Für Fotos hat die Zeit nicht gereicht. Das hole ich evtl. nach.
So, ich habe nun ein paar Fotos eingefügt, damit du und andere Interessierte sich einen Einblick verschaffen können :-)
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Danke dir.
Mich hat auch die rechtliche Seite interessiert. Ich nehme an, da muss man immer den Verlag vorher fragen, oder ist es generell erlaubt, eigene Fotos eines Buches zu posten?
Sch***-Urheberrecht, was für ein Minenfeld. Es könnte alles so einfach sein …
Cover dürfen originalgetreu verwendet werden, die kann man ohne Genehmigung bei den Verlagen herunterladen. Etliche Verlage weisen darauf hin, dass sie generell auch Fotos der Bücher erlauben. Für Bildbände gibt es unter Angabe des Copyrights öfter Bildmaterial, das man zur Verwendung in einer Rezension anfordern kann. Bei Fotos einzelner Seiten ist das so eine Sache, das wird meistens geduldet. Im Zweifelsfall würde ich einfach auf die Webseiten für die Presse/Blogger schauen. Ich hoffe, das hilft dir ein bisschen weiter :-)
Auf jeden Fall. Vielen Dank : )
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