Stefano Mancuso: Aus Liebe zu den Pflanzen

Cover Mancuso Liebe Pflanzen

© Kunstmann

In seinem neuen Buch Aus Liebe zu den Pflanzen stellt der italienische Botanik-Professor Stefano Mancuso zwölf Menschen vor, die Pionierarbeit bei der Erforschung von Pflanzen geleistet haben. Er hat Persönlichkeiten aus fünf Jahrhunderten und aus verschiedenen Fachgebieten ausgewählt, fremde und vertraute Namen, Naturwissenschaftler und Experten für Landwirtschaft, botanische Laien wie den genialen Erfinder und Künstler Leonardo da Vinci, den französischen Philosophen Jean-Jacques Rousseau, den Dichter Johann Wolfgang von Goethe oder den Vater der Genetik, Gregor Mendel. Einige Pflanzenliebhaber habe ich mir herausgepickt:

Eine wichtige Inspirationsquelle für Stefano Mancuso ist der italienische Botaniker Federico Delpino. Er gilt als Begründer der Pflanzenbiologie und erforschte im 19. Jahrhundert die Myrmekophilie, also die Zusammenarbeit von Pflanzen mit Ameisen. Mehr als 3.000 myrmekophile Pflanzenarten beschrieb er in seinen Werken. Er war auch einer der ersten, die Pflanzen als intelligent und sensibel betrachteten. Zu diesem Thema hat Stefano Mancuso 2015 zusammen mit Alessandra Viola das fabelhafte Buch Die Intelligenz der Pflanzen verfasst, das ich im Blog bereits vorgestellt habe. Mancuso würdigt Delpino als begnadeten Forscher, der seiner Zeit weit voraus war und nur deshalb so wenig bekannt ist, weil seine Werke nur auf Italienisch erschienen sind.

Das Leiden an Heuschnupfen ist schon seit der Antike überliefert. Als Ursache vermutete man früher Licht, Wärme, Ozon oder auch Staub. Besonders die wohlhabenden Schichten waren von den wiederkehrenden Attacken betroffen, weshalb Ursachen und Behandlungsmethoden intensiv erforscht wurden. Doch erst dem britischen Autodidakten und Homöopathen Charles Harrison Blackley gelang es 1880 durch unermüdliche Experimente – vor allem am eigenen Körper, sämtliche verdächtigen Substanzen auszuschließen. Mancuso beschreibt lebendig, wie Blackley schließlich pflanzlichen Materialien auf die Spur kam und deren Pollen als Auslöser identifizierte.

Johann Wolfgang von Goethe war nicht nur ein berühmter Dichter, sondern interessierte sich zeit seines Lebens für die Naturwissenschaften. Er untersuchte die Baupläne verschiedener Lebewesen, die er miteinander verglich und prägte dafür den Begriff Morphologie. Bei seinen botanischen Studien erkannte er das Blatt als Urform aller Pflanzenteile. Seine wichtigsten Erkenntnisse fasste Goethe in der Schrift Versuch die Metamorphose der Pflanzen zusammen. Gern hätte ich mehr über Goethes Suche nach der Urpflanze erfahren, über die Mancuso leider nur knapp berichtet.

Mein liebstes Kapitel gilt Charles Darwin, der auch zur Botanik Entscheidendes beitrug. Er erkannte die Bedeutung von Insekten für die Bestäubung und Verbreitung von Pflanzen und schloss daraus auf die Koevolution von Pflanzen und Insekten. Faszinierend sind auch seine Erkenntnisse zu den Wurzeln der Pflanzen. Besonders die Wurzelspitze ist ein empfindungsfähiges Organ, das Signale empfangen und weiterleiten kann und so die Bewegungen entfernter Pflanzenteile steuert. Ohne Wurzelspitze fehlt einer Pflanze die Möglichkeit, angemessen auf ihre Umwelt zu reagieren und zu überleben. Diese bahnbrechenden Entdeckungen haben den Botanik-Experten Stefano Mancuso zu eigenen Forschungen veranlasst!

Stefano Mancuso stellt in seinen Porträts die besonderen Fähigkeiten, die unkonventionelle Denkweise, aber auch die Spleens dieser Pflanzenliebhaber heraus und lässt sie mit längeren Zitaten aus Briefen und Schriften zu Wort kommen. Es ist sein Verdienst, dass er im Buch Aus Liebe zu den Pflanzen bisher unbekannte Forscher vorstellt und die botanischen Erkenntnisse von Laien würdigt. Viele dieser Erkenntnisse haben die Pflanzenforschung vorangebracht. Eine schöne Zusammenstellung, die Lust weckt auf mehr Information!

Nominiert zum Wissensbuch des Jahres 2017 in der Kategorie Überraschung

Stefano Mancuso: Aus Liebe zu den Pflanzen – Geschichten von Entdeckern, die die Welt veränderten
Aus dem Italienischen von Christine Ammann
Verlag Antje Kunstmann 2017, 176 Seiten mit zahlreichen Abbildungen
ISBN 978-3-95614-170-6
Leseprobe

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16 Kommentare

  1. Das klingt interessant. Besonders erfreulich finde ich es, dass hier auch mal ein Nicht-Angelsachse übersetzt wurde und Nicht-Angelsachsen dargestellt werden (zumindest ein paar).

    • Stimmt, das ist mal etwas anderes! Mehr als die Hälfte der Porträtierten stammt nicht aus dem angelsächsischen Raum: Wir haben einen Russen, einen Franzosen, einen Deutschen, einen Österreicher und immerhin vier Italiener! Außer Leonardo da Vinci kannte ich vorher keinen von denen und hätte gern noch mehr über sie erfahren.

      • Tut mir Leid, wenn ich jetzt mal ein wenig Dampf ablassen muss — ich bin diesen Anglozentrismus grade ziemlich leid. Zur Zeit übersetze ich das Buch eines nicht ganz unbekannten US-Autors, der hier nicht genannt werden soll, in dem es um Entdeckungen und Erfindungen verschiedenster Art geht. Bedauerlicherweise hat der Mann für Entdeckungen außerhalb des englischen Sprachraums einen großen blinden Fleck, um nicht zu sagen, für ihn scheint hinter den Grenzen der USA die Welt aufzuhören (das kennt man ja, aber bei vermeintlich gebildeten Menschen ist das schon sehr bedenklich). Wenn er Nicht-Anglos denn erwähnt, dann unterschlägt oft ihre Namen.

        Das Ganze ist umso ärgerlicher, als wir im deutschen Sprachraum viel zu viele Anglos übersetzen. Dadurch entsteht der falsche Eindruck, alles Wichtige sei in den USA passiert. Das glauben die Amis ja durchaus, aber auf diese Weise fallen andere Traditionen unter den Tisch (auch unsere eigenen), von alternativen Erzählungen und Denkweisen ganz zu schweigen. Der Anglozentrismus unseres Rechtemarkts ist fatal, und umso dankbarer bin ich Verlagen wie Antje Kunstmann, die hin und wieder auch Autoren aus anderen Weltgegenden übersetzen.

        • Diese Übermacht der Angloamerikaner ist mir auch schon aufgefallen. Es gibt nun mal viele sehr gute Erzähler unter ihnen. Aber ich freue mich immer, wenn ich mal „Exoten“ aus anderen Ländern entdecke, so wie eben Stefano Mancuso im Kunstmann Verlag, den Franzosen Léo Grasset (bei Wagenbach) oder den Italiener Carlo Rovelli (bei Rowohlt). Solche Perlen muss man mit der Lupe suchen, auch in meinem Bücherregal ;-)
          Ich frage mich bei manchen Büchern schon, warum deutschsprachige Verlage sie überhaupt verlegen. Gerade ein einseitiges Buch, wie du es offenbar gerade übersetzt, ist ja für uns Leser kein Gewinn, auch für die amerikanischen Leser ist es eine Irreführung. Die wirklich interessanten Bücher, auch aus dem englischsprachigen Raum, sind für mich jene, deren Autoren über ihren Tellerrand hinausblicken, zum Beispiel von Richard Fortey oder Bill Bryson.

  2. Das erste Buch Die Intelligenz der Pflanzen hat mir sehr gut gefallen – ich freue mich auch auf dieses.

    • Ich wünsche dir viel Spaß damit! Es ist natürlich etwas anderen als Mancusos Buch zur Pflanzenintelligenz, aber auch hier bei den Kurzporträts erweist sich Mancuso als toller Erzähler, der seinen Stoff liebt. Von mir aus hätte das Buch doppelt so umfangreich sein können!

  3. Das klingt verlockend – und lässt einen, selbst wenn man nicht unbedingt so ganz neugierig naturwissenschaftliche Bücher liest, wohl auch auf manche bekannte Namen einen neuen Blick werfen. Dass Goethe sich mit Pflanzen und vielen anderen Dingen befasste, war mir bekannt, bei da Vinci kann man es sich denken, bei Rousseau wäre das für mich Neuland. Ist das Buch auch innen so schön illustriert wie auf dem Cover?

    • Innen gibt es vorwiegend schwarzweiße Abbildungen: Fotos und Zeichnungen der Pflanzenliebhaber und ihrer Zeitgenossen, viele pflanzliche Details, aber auch einen kleinen Farbteil. Dadurch wirkt das Ganze sehr lebendig und anschaulich!
      Stefano Mancuso hat auf die botanischen Laien im Buch einen anderen Blickwinkel als Geisteswissenschaftler, weil er deren botanische Leistungen besser beurteilen kann. Diese Perspektive fand ich sehr interessant!

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  5. Das Buch finde ich mal wieder äußerst reizvoll, zumal bei mir gerade eine etwas ältere Ausgabe der GeoKompakt zum Thema Geheimnisse der Pflanzen zum Lesen bereitliegt. Stellt er denn auch einige Frauen vor? Liebe Grüße, Peggy

    • Nein, in diesem Band leider nicht. Im Vorwort erklärt Mancuso dazu, dass er das eventuell in einem zweiten Band nachholen wird. Das lässt hoffen :-)

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