Fritz Schade/Harald Jockusch: Betörend, berauschend, tödlich – Giftpflanzen in unserer Umgebung

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Hilfe, Giftpflanzen! Mein Garten ist voll davon, wie ich nach der Lektüre des Buches Betörend, berauschend, tödlich weiß! Denn ausgerechnet viele giftige Gewächse zeichnen sich durch besonders schöne, betörende Blüten aus und sind in unseren Gärten, Parks oder Wäldern weit verbreitet: Rittersporn, Lupinen, Winterling, Tränendes Herz, Akelei und viele weitere. Gut, dass ich nun ein adäquates Hilfsmittel habe, um mich der Gifte zu erwehren. In diesem bezaubernden Buch, verfasst vom Biologie-Professor Harald Jockusch und illustriert vom Hamburger Künstler Fritz Schade, erfahre ich alles Wesentliche über 50 heimische Giftpflanzen von der Christrose bis zur Mistel. Welche Teile der Pflanzen sind giftig, wie stark wirken die Gifte, welche Symptome treten auf und vor welchen Pflanzen müssen besonders Kinder geschützt werden?

In knappen Porträts erzählt Harald Jockusch, woher die Pflanzen ursprünglich stammen und wie sie sich verbreiten. Er beschreibt die botanische Zuordnung, die verschiedenen Erscheinungsformen und weist auf ähnliche Pflanzen hin. Durch die vielen Querverweise im Buch entwickelt sich beim Lesen ein Verständnis für die Pflanzenfamilien wie zum Beispiel die fast immer giftigen Hahnenfußgewächse und Wolfsmilchgewächse oder auch die teils genießbaren Nachtschattengewächse. Viele von ihnen wurden früher zur Behandlung von Krankheiten eingesetzt oder auch wegen ihrer berauschenden Wirkung verwendet, wie z.B. die Tollkirsche oder das Bilsenkraut. Dies war immer mit hohem Risiko verbunden, denn eine falsche Dosierung kann zum Tode führen. Vieles ist mittlerweile bekannt über die Gifte und die Heilkraft der Pflanzen, aber es gibt auch noch etliche unerforschte Schätze zu heben, denn die Biochemie der Pflanzen ist komplex. Bei richtiger Anwendung lassen sich etliche Gifte entschärfen, zum Beispiel durch Hitze. Gut zu wissen!

Besonders interessant ist die Tatsache, wie unterschiedlich Pflanzengifte auf Menschen und Tiere wirken können. Während viele Vögel, Insekten oder auch die berüchtigten Nacktschnecken sie mit ihrer Nahrung ohne Schaden aufnehmen, kann die Wirkung bei Menschen tödlich sein. Wir sollten uns also nicht zum Naschen der gleichen Beeren und Früchte verleiten lassen.

Die Kenntnis der Gefahren hat beim Hobbygärtner und Großvater Jockusch zu drastischen Konsequenzen geführt:

Gefährlicher als der Gartenteich ist für kleine Kinder nur der Eisenhut. Nachdem der Gartenteich blutenden Herzens zugeschüttet und in Rasen verwandelt wurde, kam der Eisenhut dran. Weil der Eisenhut als der Rekordhalter an Giftigkeit gilt, hat der Autor dieser Zeilen als besorgter Großvater 200 dieser Schmuckpflanzen mit der Wurzelknolle ausgerissen und der Vernichtung anheimgegeben.

Da blutet auch mir als Leserin das Herz! Dem Eisenhut werde ich auf jeden Fall mit mehr Respekt begegnen und längeren Hautkontakt vermeiden, denn das Gift Aconitin dringt direkt durch die Haut ein, wie im Buch zu erfahren ist! Hilfreich ist auch der Tipp, wie man giftige Blumenzwiebeln von essbaren Küchenzwiebeln unterscheidet, falls mal etwas durcheinander gerät: hier hilft neben der glatten Haut vor allem der zwiebelige Geruch, der die genießbare von den giftigen Varianten unterscheidet.

Neben den praktischen Tipps gibt es auch Informationen zur Geschichte der Pflanzennamen, zu besonderen Züchtungen wie der Süßlupine mit ihrem hohen Eiweißgehalt oder auch die Geschichte vom Pontischen Honig, der eine Armee vergiftete und damit eine Schlacht entschied – ein buntes Potpourri.

Dieses Buch ist gut verständlich und unterhaltsam mit vielen historischen und botanischen Anekdoten und zugleich sehr informativ, denn es vermittelt ein Grundwissen über die Pflanzenfamilien und ihre Gifte mit deutlichen Warnungen. Die Pflanzenporträts sind in einem charmanten, altmodischen Ton gehalten, der sich in der Großvater-Perspektive von Harald Jockusch und der Tatsache, dass er in der dritten Person von sich schreibt, äußert. Mit den wunderschönen, zarten Illustrationen von Fritz Schade lassen sich die Pflanzen gut identifizieren. Eine perfekte Kombination! Etwas unpraktisch ist allerdings die Anordnung der Texte und Illustrationen. Sie sind nicht etwa nebeneinander zu finden, sondern nacheinander, oft durch eine leere Seite getrennt.

Mit all dem Wissen ausgestattet, bin ich erstaunt, wie weit verbreitet diese Pflanzen doch sind trotz der Gefahren, die von ihnen ausgehen. Aber jetzt bin ich gewarnt! Bei der zukünftigen Gartenarbeit wird das Buch eine große Bereicherung für mich sein.

Fritz Schade / Harald Jockusch: Betörend, berauschend, tödlich – Giftpflanzen in unserer Umgebung
Verlag Springer Spektrum 2015, 207 Seiten, 57 Abbildungen
ISBN 978-3-662-47189-0
Leseprobe

Erhältlich bei der Buchhandlung des Vertrauens

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10 Kommentare

  1. Hochinteressant – da hast Du wieder etwas für meine grünliche Leseneigung aufgeblättert, liebe Petra.
    Bezüglich des ausgerupften Eisenhutes frage ich mich allerdings, wann denn all die Autos ausgesperrt werden, die gewiß wesentlich mehr Kinderleben auf dem Gewissen haben als eine unschuldige Giftpflanze.
    Meine Eltern haben mir schon als Kleinkind erfolgreich beigebracht nur absolut vertraute Pflanzenfrüchte zu essen und sie haben mir auch Giftpflanzen (Akelei, Fingerhut, Goldregen und Schneeglöckchen) gezeigt, aber diese Pflanzen durften weiterhin unseren Garten bevölkern.
    Na gut, Eisenhut mit seiner Hautkontaktgiftwirkung ist vielleicht eine Ausnahme, die besonderer Berücksichtigung bedarf …

    Ungiftige Grüße :-)
    von Ulrike

    • Da kann ich dir nur schmunzelnd zustimmen, liebe Ulrike. Damit Eltern ihre Kinder so gut erziehen können wie deine, müssen sie die Gefahren allerdings erstmal kennen. Da kann dieses Buch schon sehr nützlich sein.
      Beste Grüße, Petra

      • Stimmt!
        Manchmal vergesse ich, daß meine musisch-naturverbundene Erziehung nicht selbstverständlich ist und manche Rahmenbedingungen, besonders des städtischen Lebens, den Zugang zu Natur, Wildnis oder eigenem Garten gar nicht zulassen oder erschweren. Da ist ein Buch immerhin ein erster Schritt zur Vermittlung …
        Gutenachtgruß :-)

  2. Meine Oma hat mir auch noch gezeigt, was ich direkt aus dem Garten (am besten ungewaschen) essen darf und was besser nicht. Der “hübsche” Vorgarten mit Goldregen und ähnlichem war sowieso tabu! Das Gefährlichste, was mir dort passiert ist, dass ich mich in einen Ameisenhaufen gesetzt habe (war auch sehr unangenehm).
    Aber diese Aufklärung fehlt vielen Kindern und so können sie sie auch später nicht weitergeben. Das Buch ist daher eine tolle Idee!
    P.S. Das Jahr fängt gut an. Danke!

    • An solche großmütterlichen Ermahnungen kann ich mich auch noch erinnern. Aber nach 30 Jahren Stadtleben hatte ich vieles vergessen. Und viele Pflanzen lerne ich erst so nach und nach kennen. Dieses Buch ist genau richtig zum Schmökern und Informieren :)

  3. Der blaue und der gelbe Eisenhut begegnen mir immer massenhaft im Wanderurlaub in Tirol. Vor dem habe ich gehörigen Respekt. Ist auch interessant, vor allem die ganzen Almkühe genau wissen, was sie nicht anrühren dürfen.

    • Im Allgäu, wo ich gern wandere, gibt es ihn auch, und natürlich viele andere Giftpflanzen wie die Tollkirsche – wunderschön und hochgiftig. Zum Glück halten sich die Kühe an die leckeren Kräuter, was den besten Bergkäse ergibt!

  4. Pingback:Vorfreuden für Leseratten II Herbst 2015 – Elementares Lesen

  5. Das klingt interessant (und auch etwas beunruhigend) — da bin ich ja fast froh, dass ich nur einen Balkon und ein kleines Gemüsebeet im Garten habe. :-)

    In England gibt es sogar einen Garten, in dem es ausschließlich Giftpflanzen gibt: http://www.alnwickgarden.com/explore/whats-here/the-poison-garden

    • Wow, den Garten würde ich gern mal besuchen!
      Auf meinem früheren Balkon hatte ich fast nur harmlose Pflanzen, aber es waren auch mal Prunkwinde und Ziertabak dabei. Solange man die giftigen Teile meidet, ist alles ok :)

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