Metin Tolan: Die Star Trek Physik

Cover Tolan Star Trek

© Piper

Am 8. September 1966 startete in den USA die Fernseh-Serie Star Trek mit dem inzwischen legendären Raumschiff Enterprise. Es folgten diverse Filme, von denen der neueste, „Star Trek Beyond“, gerade in die Kinos kam. Meine Begeisterung für diese Science Fiction-Welt begann als Teenager und hat sich konsequent durch alle Staffeln gehalten. Die Mannschaft von Captain Jean-Luc Picard in „The Next Generation“ ist mir von allen am liebsten. Es war faszinierend, was die verschiedenen Crews in fernen Regionen des Weltalls entdeckten, wie sie die kompliziertesten technischen Probleme kurz vor dem sicheren Untergang lösten und wie elegant Konflikte mit fremden Völkern beigelegt wurden. Nicht zu vergessen eine große Portion Witz. Manche Techniken von damals sind inzwischen längst Alltag, wie der Kommunikator, anderes bleibt wohl Fiktion. Wie realistisch ist die Physik im Star Trek-Universum? Der Dortmunder Physik-Professor Metin Tolan, der schon die Physik bei James Bond (Geschüttelt, nicht gerührt) oder beim Fußball (So werden wir Weltmeister) auf unterhaltsame Weise erklärte, hat es in seinem Buch Die Star Trek Physik untersucht.

Seine Methode: kurze Schilderung einer Filmszene, um dann die zugrundeliegende Physik auseinanderzupflücken. Bei der Wiedergabe der Gespräche im Buch wurde mir bewusst, wie oft Sätze wie „Das ist völlig unmöglich!“ oder „Wie kann das sein?“ vorkommen. Und vor allem, wie sehr Star Trek von Wissenschaftsjargon geprägt ist. Tolan klopft die Erklärungen, die in den jeweiligen Szenen geliefert werden, gründlich ab. Er berechnet, welche Entfernungen oder Geschwindigkeiten gemeint und ob sie realistisch sind.

Star Trek ist für ihn „richtig gute Physik“, denn die meisten Phänomene werden tatsächlich korrekt erklärt. Das gleiche gilt für technische Anwendungen. Leider ist vieles zwar theoretisch möglich, aber aufgrund der benötigten Energiemengen derzeit nicht realisierbar. Manches wird auch niemals umgesetzt werden, zum Beispiel der Warp-Antrieb, von dem wir weiter entfernt sind als „der Neandertaler von der Concorde“, erklärt Tolan. Auch das Beamen wäre denkbar, wenn nicht die Heisenbergsche Unschärferelation dagegen spräche. Die vielen Atome eines Körpers könnten nie auseinandergenommen und exakt wieder zusammengesetzt werden!

Für Leser, die auch vor Formeln und komplizierteren Erklärungen nicht zurückschrecken, liefert der Autor am Ende vieler Kapitel Details für Besserwisser, symbolisiert durch ein Bild von Mr. Spock. In diese Rubrik hat er auch die Aufdröselung der Drake-Gleichung verbannt. Mit der kann man berechnen, wie viele intelligente außerirdische Zivilisationen es in unserer Galaxis geben könnte. Tolan kommt auf einen Wert von 500.000 Planeten, gibt aber zu bedenken, dass viele Faktoren sich nur schätzen lassen.

Es war immer wieder amüsant zu lesen, wie er Informationsbruchstücke aus verschiedenen Star Trek-Folgen zusammengesetzt hat, zum Beispiel um herauszufinden, wo der Planet Vulkan, die Heimat von Spock, liegt. Er kommt zu dem Ergebnis, dass dieser sich weit außerhalb unserer Reichweite befindet, ebenso wie sämtliche fernen Galaxien, die nie ein Mensch zuvor gesehen hat und die so gern von den Raumschiffen der Föderation angesteuert werden. Da helfen auch keine Wurmlöcher wie bei Deep Space Nine, denn die stehen nicht im Einklang mit den Naturgesetzen, wie Tolan trocken bemerkt. Tja, und wie ist das mit Zeitreisen? Die gelingen wohl erst, wenn man die noch nie beobachteten Tachyonen nutzt – oder einfach superschnell um die Sonne kreist, mit anderen Worten: sie sind sehr unwahrscheinlich, aber laut Tolan nicht völlig ausgeschlossen.

In diesem Buch geht es nicht ohne einige Grundlagen zu den Keplerschen Gesetzen, zur Speziellen Relativitätstheorie oder zur Quantenmechanik, immer direkt auf die Handlung bei Star Trek bezogen, also leicht verdauliche Kost. Nebenbei vermittelt Tolan dem Leser viele Kenntnisse der Astrophysik und erläutert den aktuellen Stand der Forschung, z.B. wie man Neutrinos nachweist, Exoplaneten sucht oder wie die Quantenteleportation funktioniert. Es war spannend zu erfahren, wie weit die Technik inzwischen vorangeschritten ist, aber auch lustig, wie oft die Naturgesetze in Star Trek ein wenig gedehnt wurden oder wo es Rechen- oder Übersetzungsfehler gab. Da merkt man, wie akribisch Tolan alles untersucht hat.

An der Uni verwendet der Experimentalphysiker Star Trek, um seinen Studenten die Physik näher zu bringen. Das merkt man seinen Formulierungen zum Teil auch an („Wir wollen nun berechnen …“). Genervt war ich durch die schiere Menge an Fußnoten, die den Lesefluss unterbrachen. 353 sind einfach zu viel für ein populärwissenschaftliches Buch – oder sie gehören ans Ende.

Fazit
Metin Tolans Buch Die Star Trek Physik ist größtenteils unterhaltsam mit hohem Wiedererkennungswert. Viel Ironie und trockener Humor, aber auch dröge Aneinanderreihungen und nüchterne Argumentationen. Für Star Trek-Fans und Physikbegeisterte natürlich unverzichtbar!

Metin Tolan: Die Star Trek Physik – Warum die Enterprise nur 158 Kilo wiegt und andere galaktische Erkenntnisse
Piper Verlag 2016, 352 Seiten
ISBN 978-3-492-31084-0 Taschenbuch
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12 Kommentare

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  3. Das will ich, brauch ich, muss ich haben ! Danke fürs Aufmerksam machen *in den Buchladen rennt* … Live long and prosper from another TNG Fan :)

  4. Der Buchraum, unendliche Weiten …
    Ein hochinteressantes Buch stellst Du hier wieder einmal ausführlich, differenziert und kompetent vor, liebe Petra.
    Danke für die wertvollen Leseinfos!
    Außerdem freue ich mich zu erlesen, daß Du auch eine Trekkie bist, und meine Lieblingsstaffel ist ebenfalls „The Next Generation“ mit Captain Jean-Luc Picard.
    Sternenfunkelnde Grüße von der nachtaktiven
    Ulrike :-)

    • Wie überraschend, als Trekkie hatte ich dich nicht eingeschätzt, liebe Ulrike! Dann kommst du um die Lektüre dieses Buchs nicht herum ;-)
      Galaktische Grüße, Petra

    • Eine sehr treffende Rezension! Wie ich sehe, hattest du außer den Fußnoten nichts zu meckern. Da ging es mir ähnlich.
      Ich bin schon gespannt auf deine Besprechung des Kinofilms. Wann können wir denn damit rechnen?

  5. Wie schade, dass es keine Wurmlöcher geben kann. Mein Star Trek Favorit ist nämlich „Deep Space Nine“ ;-)

    • Tja, so ein Wurmloch wäre ganz schön praktisch, um galaktische Distanzen zu überwinden. Wie schön, dass es zumindest in der Fantasie der Science-Fiction-Autoren funktioniert!

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