Rita Mielke: Im Wald – Eine Wortwanderung durch die Natur

Cover Mielke Im Wald

© Duden

Der Wald: einst ein Ort kultischer Handlungen, heute Sehnsuchtsort und Erholungsraum, beglückend, aber auch unheimlich. Das Buch Im Wald – Eine Wortwanderung durch die Natur versammelt 32 Begriffe rund um den Wald, von Adler über Lichtung bis zum Wolf. Über die Herkunft der Wörter, ihre Spuren in Mythen, Märchen und Literatur und über die Eigenschaften, die wir ihnen zuschreiben, informiert die promovierte Literaturwissenschaftlerin und Kulturjournalistin Rita Mielke auf unterhaltsame Weise.

Der Wald ist die Heimat alter Bäume, unter deren schützenden Kronen sich die Lebewesen des Waldes verbergen: gefährliche wie der Wolf, harmlose wie das Reh und geheimnisvolle wie die Waldgeister. Im Wald wachsen Fliegenpilze mit ihren halluzinogenen Substanzen und Spechte hämmern um die Wette – ein Versteck auch für finstere Gestalten: Hexen und Räuber! In diesem erhellenden Büchlein listen Wortwolken zu Beginn jedes Kapitels die Eigenschaften auf, die wir mit dem jeweiligen Objekt in Verbindung bringen. So gelten Waldgeister als umtriebig und freundlich, aber auch als böse, struppig und irrlichternd. Die Buche ist mächtig und schützend, das Eichhörnchen ist putzig und flink, aber auch frech. Und die Stille im Wald gilt einerseits als andächtig und meditativ, anderseits fühlt sie sich gespenstisch an.

Zu jedem Begriff hat Rita Mielke allerlei Interessantes herausgefunden. Sie erzählt vom Kuckuck als Frühlingsboten, dessen Name eine lautmalerische Nachbildung seines charakteristischen Gesangs ist. Daher klingt er in anderen Sprachen ähnlich wie im Deutschen: auf Italienisch heißt er cuculo und im Französischen coucou. Unser Ausspruch „Weiß der Kuckuck!“ bezieht sich auf die seherischen Fähigkeiten, die man ihm nachsagt. Sein Verhalten als Brutparasit führte zu Auftritten bei Geoffrey Chaucer und Thomas Mann. Und das utopische Wolkenkuckucksheim ist ein Begriff des antiken Komödiendichters Aristophanes.

Die Mistel galt einst als Göttergabe, Liebes- und Heilpflanze. Ihre Wirkung war nicht nur Hildegard von Bingen bekannt. Auch der Druide Miraculix aus den Asterix-Comics weiß um ihre magischen Kräfte – sie ist die wichtigste Zutat seines Zaubertranks!
Und die Eule, Weisheitstier und Hexenvogel, spielte schon als Begleiterin der griechischen Göttin Athene eine wichtige Rolle. Im Kosmos der Harry Potter-Romane von J. K. Rowling ist sie Überträgerin von Botschaften und Mittlerin zwischen der Welt der Zauberer und der Muggels.

Bei dieser Wortwanderung Im Wald wird deutlich, wie wichtig dieser Naturraum für die menschliche Kultur war und ist. Die Zitate und Wissenshäppchen, die Rita Mielke herausgefischt hat, reichen von den Dichtern der Antike über das Deutsche Wörterbuch der Brüder Grimm (ab 1838) bis in die Literatur der Gegenwart. In ihrem Vorwort weist die Autorin auf die intensiven Beziehungen zwischen Wald und Mensch hin. Ich hätte mir gewünscht, dass sie dieser Verbindung konsequenter nachgeht, denn in manchen Kapiteln fehlte dieser Aspekt. Doch ich habe viel Neues und Unerwartetes über den Wortkomplex des Waldes erfahren. Dieses lehrreiche und amüsante Büchlein ist ein idealer Begleiter beim nächsten Wald-Spaziergang!

Rita Mielke: Im Wald – Eine Wortwanderung durch die Natur
Duden Verlag 2019, 160 Seiten mit farbigen Illustrationen von Hanna Zeckau
ISBN 978-3-411-74258-5
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9 Kommentare

  1. Schon auffällig, diese neue Beschäftigung mit Wörtern für schwindende Welten. Als seien sie der letzte Strohhalm, über den man festzuhalten sucht, was uns zu entgleiten droht. Sprache war schon immer das magische Medium der Wunscherfüllung. Möge der Zauber wirken.
    Herzliche Grüße!

  2. Das Cover ist ja auch zauberhaft, irgendwie leicht kitschig, aber schön.

    • Es sind die Motive von Hanna Zeckau zu den einzelnen Begriffen aus dem Buch. Da weißt du gleich, was dich erwartet :)

  3. Das klingt fast nach einem philosophischen Werk :-)

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