Jahr für Jahr zeichnet das Magazin Bild der Wissenschaft die besten Wissensbücher des Jahres aus. Nun steht fest, welche Titel sich 2025 durchgesetzt haben. In diesem Jahr waren 59 Bücher in sechs Kategorien nominiert. Die elfköpfige Jury wählte zusammen mit dem Publikum die Besten.
Als Jurymitglied durfte ich mich mit allen nominierten Büchern auseinandersetzen und bin sehr zufrieden mit dem Ergebnis! Hier im Blog stelle ich euch kurz und knapp die sechs Wissensbücher und die Sieger der Publikumswahl vor. Ausführliche Rezensionen von den Jurymitgliedern und weitere Infos findet Ihr auf wissenschaft.de und im Dezember-Heft von Bild der Wissenschaft.
Wissensbuch des Jahres 2025 – Die Gewinner
ÜBERBLICK:
In der Natur setzt sich nicht unbedingt der Stärkste oder Fitteste durch, sondern Lebewesen, die auf Kooperation setzen. Dirk Brockmann, Physiker und Forscher zu komplexen Systemen, erklärt in seinem Buch Survival of the Nettest, welche Mechanismen am Werk sind und liefert eine Fülle von Beispielen: Symbiosen bei Menschen und ihren Mikroorgansimen, Netzwerke zwischen Baum und Pilz, die sexuelle Fortpflanzung im Sinne der biologischen Vielfalt oder die symbiotischen Biofilme bei den schwarzen Rauchern der Tiefsee. Ein spannendes und verständlich geschriebenes Buch über Kooperation als Motor der Evolution, das in seiner Detailverliebtheit aber auch einige Konzentration erfordert.
Sieger der Publikumswahl ist das Buch Weise Frauen. Die Kulturjournalistin Miriam Stein sucht nach dem unterdrückten und unterschätzten Wissen der Frauen, von der Vergangenheit bis in die Gegenwart. Sie folgt den Spuren weiblichen Wissens unter anderem bei Schamaninnen, Künstlerinnen, Heilerinnen und Arbeiterinnen.
ZÜNDSTOFF:
Der Kolonialismus ist nicht überwunden. In Zeiten der Digitalisierung treibt er sein Unwesen unter dem Dach der großen Tech-Konzerne. Der Tech-Journalist Ingo Dachwitz und der Globalisierungsexperte Sven Hilbig zeigen in ihrem Buch Digitaler Kolonialismus auf, mit welchen Methoden der Globale Süden für unser digitales Leben erneut ausgenutzt und ausgebeutet wird. Wie schlecht bezahlte Klickarbeiterinnen und -arbeiter das Internet für uns säubern. Wie die Natur bei der Suche nach Rohstoffen zerstört wird. Wie unsere Daten abgeschöpft und missbraucht werden, und wie die Tech-Elite und autoritäre Staaten davon profitieren. Ein faktenreiches, erschütterndes Buch!
Bei der Publikumswahl setzte sich das Buch Kinder – Minderheit ohne Schutz von Aladin El-Mafaalani, Sebastian Kurtenbach und Klaus Peter Strohmeier durch. Darin geht es um die Dominanz der Babyboomer-Generation in unserer Gesellschaft, um das Aufwachsen junger Menschen in Krisenzeiten und um mangelnde Generationengerechtigkeit. Junge Menschen sind unterrepräsentiert und müssen gestärkt werden, fordern die Soziologen.
ÜBERRASCHUNG:
Was sagt uns der Fluss? Und was tun wir den Flüssen an? Der Naturschriftsteller Robert Macfarlane setzt sich in seinem Buch Sind Flüsse Lebewesen? mit dem Wesen der Flüsse und unserem Verhältnis zur Natur auseinander. Drei Flüsse hat er dazu bereist: den Río Los Cedros im Nebelwald von Ecuador, dessen Lebendigkeit ihn beeindruckt, einen durch Umweltgifte toten Fluss in Indien und den Mutehekau Shipu in Kanada, auf einer wilden, fast spirituellen Kajak-Tour. In seinem fantastischen Buch sinniert er über den Verlust natürlicher Flussläufe und die Rechte der Natur. Er sprach mit Indigenen, die entlang der Flüsse leben und ein besonderes Verhältnis zu ihren Flüssen haben, sowie mit Forschenden und Umweltaktivistinnen und -aktivisten. Angesichts der immensen Zerstörung dieser artenreichen, kostbaren Lebensräume durch Staudämme, Bergbau, Umweltgifte und Entwässerungsmaßnahmen fordert er ein Umdenken und mehr Wertschätzung für die Gewässer. Macfarlanes Buch ist bewegend und aufrüttelnd – feinstes Nature Writing!
Sieger der Publikumswahl ist das Sachbuch Jules Verne und die Entdeckung der Meeresforschung. Die Wissenschaftsjournalistin Bettina Wurche nimmt uns mit in das 19. Jahrhundert – eine Epoche voller spannender Entdeckungen und Erfindungen. Wurche widmet sich dem Leben und Werk des berühmten Schriftstellers Jules Verne und untersucht, wieviel Wissenschaft in seinem Roman „20.000 Meilen unter den Meeren“ steckt.
ÄSTHETIK:
Der Bildband Drecksarbeit enthüllt die verborgene Welt im Erdreich, mit fantastischen Makrofotos von Nicole Ottawa und Oliver Meckes und Erläuterungen von Veronika Straaß und Claus-Peter Lieckfeld. Im Boden existiert ein reichhaltiges Leben, das für die Entstehung von Humus unverzichtbar ist. Da tummeln sich unersättliche Milben, Pilzhyphen, die alles durchdringen, nützliche Schleimpilze, knuddelige Bärtierchen wie das Covermodel und natürlich Bakterien in Hülle und Fülle, ohne die das Leben undenkbar wäre. Ein Augenschmaus sondergleichen!
Dazu passt perfekt der Sieger der Publikumswahl, worin es um noch mehr Drecksarbeiter geht: es ist das Bilderbuch Über das unglückliche Leben der Regenwürmer von Noemi Vola, in dem die Kinderbuchautorin und Illustratorin naturkundliche Fakten und nicht ganz ernst gemeinte Eigenschaften der Regenwürmer erklärt. Ein originelles, urkomisches und herrlich gezeichnetes Werk für Groß und Klein.
UNTERHALTUNG:
24 Stunden an Bord einer Raumstation: Die Schriftstellerin Samantha Harvey nimmt uns in ihrem Roman Umlaufbahnen mit ins Weltall. Im Mittelpunkt steht weniger die Arbeit der sechs Astronautinnen, Astronauten und Kosmonauten, sondern ihre Perspektive von diesem entfernten Außenposten auf das irdische Leben. Private Sorgen und Probleme, Freude und Trauer haben sie mitgenommen. Von oben bietet sich ein besonderer Blick auf die Erde, auf Tragödien und politische Konflikte. Von dort sehen sie einen Tropensturm mit all seiner Zerstörungskraft und berückender Schönheit. Samantha Harveys glasklare und zugleich poetische Erzählweise ist einfach großartig! Da hat die Übersetzerin Julia Wolf fantastische Arbeit geleistet! Für ihren Roman erhielt die Autorin bereits den Booker Prize 2024.
Sieger der Publikumswahl ist eine humoristische Auseinandersetzung mit dem eigenen Körper: Bestsellerautor Axel Hacke stellt in seinem Buch Aua! Die Geschichte meines Körpers die wichtigsten Organe und Körperteile mit all ihren Funktionen vor und erzählt von seinen Zipperlein und Krankheiten.
PERSPEKTIVE:
Wer sich vor Körperflüssigkeiten ekelt, sollte das Kindersachbuch Von Rotze bis Kotze von der Medizinerin und Kinderbuchautorin Johanna Klement lesen. Denn hier erfahren wir, wie faszinierend und unverzichtbar diese unterschätzten Säfte sind: warum clever Schleim ist, welche Superkräfte der Urin besitzt, woraus Blut besteht und warum wir Tränen vergießen. Außerdem geht es um Nasenschleim, Magensäfte, Schweiß und Spucke, für Kinder ab 8 Jahren. Das alles ist witzig geschrieben und herrlich illustriert von Karsten Teich.
Beim Publikum kam das inspirierende Kindersachbuch Fantastische Forscherinnen von Katharina Kunzmann, illustriert von Katharina Madesta, am besten an und landete damit insgesamt auf dem 3. Platz. In kurzen Porträts lernen wir 30 Forscherinnen aus den MINT-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft, Technik) kennen, von Hypatia von Alexandria bis Emmanuelle Charpentier.
Herzlichen Glückwunsch an die Autorinnen und Autoren der ausgezeichneten Werke! Ihre Bücher sind eine Bereicherung für Wissbegierige und werden uns nicht nur die dunkle Jahreszeit erhellen. Doch auch unter den übrigen Büchern, die nominiert waren, gibt es fabelhaften Lesestoff und Weihnachtsgeschenke für Kinder und Erwachsene mit Wissensdurst. Viel Spaß beim Stöbern!



