Elizabeth Kolbert: Das sechste Sterben

Cover Kolbert Sechste Sterben

© Suhrkamp

Der Mensch ist die Ursache für das sechste Massenaussterben vieler Tier- und Pflanzenarten. Das belegt die Wissenschaftsjournalistin Elizabeth Kolbert in ihrem Buch Das sechste Sterben, für das sie im Mai 2015 den Pulitzerpreis erhielt. Außerdem wurde ihr Buch als Wissensbuch des Jahres in der Kategorie Zündstoff ausgezeichnet. Mehr als fünf Jahre hat Kolbert recherchiert, ist rund um den Erdball von Tatort zu Tatort gereist, hat wissenschaftliche Exkursionen begleitet, viele Experten befragt und Forschungseinrichtungen besucht. Herausgekommen ist eine spannende Reportage, die zu denken gibt.

Das Entstehen und Aussterben von Arten ist ein natürlicher Prozess, der vor Jahrhunderten noch schwer zu begreifen war. Waren Katastrophen oder langfristige Entwicklungen verantwortlich? Elizabeth Kolbert berichtet von Pionieren der Wissenschaft wie Georges Cuvier, Charles Lyell und Charles Darwin und wie sie lernten, geologische Schichten, Fossilienfunde und andere Beobachtungen richtig zu deuten. Das plötzliche Massenaussterben vieler Arten trat in der Erdgeschichte schon fünfmal auf. Frühere Massensterben wie zum Beispiel bei den Dinosauriern am Ende der Kreidezeit wurden durch Asteroideneinschläge oder Vulkanausbrüche ausgelöst. Eine dramatische Änderung des Klimas folgte und erschwerte die Lebensbedingungen.

Seit die Spezies Mensch auf den Plan getreten ist, hat sich das natürliche Aussterbetempo erheblich beschleunigt. Unsere Sündenliste ist lang: Menschen fragmentieren und zerstören natürlichen Lebensraum und rotten Arten durch Jagd aus. Einheimische Flora und Fauna werden durch invasive Arten verdrängt oder durch importierte Krankheitserreger gefährdet. Durch die Abholzung der Wälder und die Verbrennung fossiler Brennstoffe versauern die Meere und die Erde erwärmt sich.

Viele Arten sind bereits mit der Ausbreitung der Menschen ausgestorben, zum Beispiel das Mastodon oder andere Tiere der sogenannten Megafauna. Bei anderen Arten steht das Aussterben unmittelbar bevor. Gefährdet sind unter anderem tausende Insektenarten, der Stummelfußfrosch, das Sumatra-Nashorn, die Korallenriffe. Selbst vor unseren Verwandten, den Neandertalern und Menschenaffen, haben wir nicht haltgemacht. Die Natur hat viel zu wenig Zeit sich anzupassen. Daher sind wir mittendrin im sechsten Sterben!

Elizabeth Kolbert geht auch der Theorie nach, ob wir uns bereits im Anthropozän befinden, einer neuen erdzeitlichen Epoche, der der Mensch seinen Stempel aufgedrückt hat. Vieles spricht dafür, denn die Spuren der menschlichen Zivilisation sind bereits in geologischen Schichten zu finden.

In ihrem Buch Das sechste Sterben untersucht Elizabeth Kolbert eine Auswahl von Arten, an denen sie die Bedrohung durch menschliche Einflüsse verdeutlicht. Ihr Buch ist informativ, engagiert, aber auch mit Humor verfasst, keine trockene Anklage, kein erhobener Zeigefinger. Stattdessen wägt sie sorgfältig zwischen verschiedenen Erklärungen ab und lässt den Leser seine eigenen Schlüsse ziehen. Vor allem die Ausführungen zur Geschichte der Geologie haben mich begeistert. Das Verständnis früherer Aussterbeereignisse hilft dabei, die komplexen Zusammenhänge in der Gegenwart zu verstehen und vielleicht noch rechtzeitig gegenzusteuern!

Elizabeth Kolbert: Das sechste Sterben – Wie der Mensch Naturgeschichte schreibt
Aus dem Englischen von Ulrike Bischoff
Suhrkamp Verlag 2015, 312 Seiten
ISBN 978-3-518-42481-0
Leseprobe

Nachtrag: Wissensbuch des Jahres 2015 in der Kategorie Zündstoff

Meine Rezension für bild der wissenschaft und wissenschaft.de

 

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5 Kommentare

  1. Ein wunderbares Buch, das mich sehr beeindruckt hat. Wie Kolbert es gelingt, ein brisantes wie schwieriges Thema anschaulich und darüberhinaus überaus lesenswert zu vermitteln, verdient großen Respekt.

    • Ich fand es auch großartig. Sie wechselt geschickt zwischen den unterhaltsamen Reise-Episoden und den informativen Teilen, so dass ich immer gespannt war, wie es weitergeht.

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