Uralte Sterne aus der Zeit kurz nach dem Urknall, sterbende Sterne, die in einer Hypernova enden, Doppelstern-Systeme und einsame Vagabunden – das Universum beherbergt viele faszinierende Himmelskörper. Der Astronom und Wissenschaftsautor Florian Freistetter hat hundert Objekte ausgewählt, deren Besonderheiten er uns in seinem neuen Buch Eine Geschichte des Universums in 100 Sternen erläutert. Darunter sind vertraute Objekte wie Deneb aus dem Sternbild Schwan, aber auch Exoten wie der »kosmische Vampir« SS Leporis, der Materie aus seinem Nachbarstern saugt. Die Sterne dienen dem Autor als Aufhänger für eine unterhaltsame Erkundung der kosmischen Geschichte und einen Blick auf Pionierleistungen der Astronomie.
Wir erfahren:
- wie die Cepheiden dank einer Entdeckung von Henrietta Swan Leavitt zur Messung kosmischer Entfernungen benutzt werden
- wie die Sterne zu ihren oft seltsamen und umständlichen Bezeichnungen kamen
- mit welchen Methoden sie erforscht werden
- wie man mithilfe von Supernova-Explosionen die Expansion des Universums berechnet
- was im Inneren der Sterne passiert und
- was über Dunkle Materie und dunkle Energie bekannt ist.
Auch der 50 Lichtjahre entfernte Stern 51 Pegasi findet Erwähnung. Er ist der erste Stern, bei dem nachgewiesen wurde, dass er von einem Exoplaneten umkreist wird, also einem Planeten außerhalb unseres Sonnensystems. Kürzlich wurde bekannt gegeben, dass seine Entdecker Michel Mayor und Didier Queloz (zusammen mit James Peebles) den Nobelpreis für Physik 2019 erhalten. Das entsprechende Buchkapitel stellt Florian Freistetter auf seinem Blog Astrodicticum Simplex kostenlos zur Verfügung.
Fasziniert bin ich von den mir bisher unbekannten Wort-Schätzen, die ich im Buch entdeckt habe. Das astronomische Lieblingswort Freistetters lautet »Syzygium«, im Englischen »syzygy« Damit ist eine Konstellation gemeint, bei der drei oder mehr Himmelskörper in einer Reihe stehen. Wenn das bei Sonne, Mond und der Erde (in dieser Reihenfolge) der Fall ist, sehen wir eine Sonnenfinsternis. Mein Favorit ist der Begriff »Morgenerst«: »Der Tag, an dem man einen Stern zum ersten Mal wieder vor der Sonne am Morgenhimmel aufgehen sehen kann«. Das Morgenerst des Sterns Sirius kündigte den alten Ägyptern an, dass das jährliche Nilhochwasser kurz bevorstand. Diese Sichtung half ihnen bei der Planung ihrer landwirtschaftlichen Arbeiten.
Florian Freistetter wirft einen Blick auf die Mythen und Geschichten hinter den Sternbildern und erklärt, wie sich Astrologie und Astronomie durch wissenschaftliche Erkenntnisse immer weiter voneinander entfernten. Das Beobachten der Sterne war Jahrtausende lang eine Quelle der Inspiration für die Kunst und die Wissenschaft, »ein wichtiger Teil dessen, was uns als fragende, suchende, erzählende und rechnende Wesen ausmacht«, schreibt der Autor. Umso bedauernswerter sei der Verlust dieses fantastischen Anblicks durch die heutige Lichtverschmutzung.
Hier im Blog habe ich bereits einige Bücher von Florian Freistetter vorgestellt, zuletzt Hawking in der Nussschale. Auch das neue Buch Eine Geschichte des Universums in 100 Sternen lohnt sich, denn der Autor sprudelt vor interessanten Infos und bindet die neuesten Erkenntnisse aus der Forschung ein, zum Beispiel von Instrumenten wie den Gravitationswellendetektoren, den VERITAS-Teleskopen, dem Radioteleskop ALMA oder dem Weltraumteleskop GAIA. Er könnte sicher noch weitere Bücher über die Sterne füllen.
Das Buch ist so aufgebaut, dass man jedes Kapitel für sich lesen kann. Einige Dinge werden daher mehrmals erklärt, zum Beispiel über Pulsare, Cepheiden und die häufigsten Elemente des Universums. Das schmälert aber nicht das Lesevergnügen, sondern vertieft eher die einzelnen Aspekte, die auch jeweils in einem anderen Kontext stehen. Ein absolut kurzweiliges Buch, das allerlei Wissenswertes über die Sterne und ihre Erforschung verrät!
Es gibt auch eine 8-stündige, vom Autor gelesene Hörbuch-Ausgabe, die sehr angenehm zu hören ist, vergleichbar mit seinen Sternengeschichten, aber mit deutlich kürzeren Texten. Der Hanser Verlag bietet auf seiner Website ein Special zum Buch mit einer Hörprobe, einem Interview und einer Sternenkarte zum Anklicken. Eine schöne Idee!
Florian Freistetter: Eine Geschichte des Universums in 100 Sternen
Hanser Verlag 2019, 304 Seiten
ISBN 978-3-446-26399-4 gebundene Ausgabe
ISBN 978-3-548-06879-4 Taschenbuch
Leseprobe
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Ui, ich freue mich, dass meine 100 Sterne bereits hier liegen und auf mich warten. Vielleicht sollte ich es als „Begleitlektüre“ für „Der lange Weg zu einem kleinen zornigen Planeten“ von Chambers lesen…. thematisch wäre es perfekt!
Das ergänzt sich wunderbar mit den Aliens aus fernen Galaxien :) Ich kenne mittlerweile drei Bände von Becky Chambers. Die sind klasse!
Freistetters Buch über Newton fand ich sehr gefällig.
„Dunkle Materie und dunkle Energie“:
Das verhält sich so ähnlich wie mit „Bewusstsein“. Man liest und liest drüber und weiß dann dennoch nicht, was es ist. Aber das ist nun mal unser Schicksal!
GESCHICHTE DES UNIVERSUMS
( Der Kosmos relativ lyrisch )
Das Weltall in Expansion
Milliarden Jahre nun schon.
Es sind dabei die Galaxien
einander rasant zu entflieh’n.
Da ist keine Wende in Sicht,
irgendwann geht aus das Licht.
Am Anfang war der Urknall;
aus einer Singularität
das Duo Raum und Zeit entsteht,
das expandierende Weltall.
Von den Nukleonen, winzig klein,
bis zum größten Galaxienverein;
wie alles ablief, weiß Gott allein.
Ein Fall für Albert Einstein.
Weltbekannt sein Resultat:
E = m c ²
Er postulierte die Raumzeit,
den gekrümmten Raum als Neuheit.
Dunkle Materie ist rätselhaft,
dunkle Energie nicht minder.
Das Wissen ist noch lückenhaft,
man kommt nicht recht dahinter.
Es braucht wohl wieder ein Genie,
gar eine neue Theorie.
Des Universums Architektur –
Was ist der Sinn von allem nur?
Wir sehen Sterne blau und rot,
neugeboren, auch kurz vorm Tod;
oder uns’rer Sonne ähnlich,
mittelalt und leuchtend gelblich.
Da gibt es Riesen und Zwerge
verschiedenster Leuchtstärke.
All dieser Sonnen Profession
ist im Innern die Kernfusion.
Die Sterne sind bis zum Ende
Geburtsort der Elemente.
Nach dem Eisen ist damit Schluss,
von den Sternen ein letzter Gruß.
Für Elemente superschwer
muss eine Supernova her.
Der Mensch, ein Kind der Sterne,
betrachtet’s aus der Ferne.
Sterne entstehen und vergehen,
das ist im All Normalgeschehen.
Wir alle kommen von den Sternen,
wo die Elemente geboren.
Kein Atom in des Kosmos Fernen
geht im großen Zyklus verloren.
So werden in allen Galaxien
Lebenskeime ihre Kreise zieh’n.
Uns’re Galaxie ist eine von Milliarden,
ein Spiralsystem, keine Besonderheit.
Die Erde hatte die besten Karten,
hier fand das Leben Geborgenheit.
Aus toter Materie ging es hervor,
strebte hin zu höchster Komplexität.
Die Evolution wirkt als ein Motor,
der einfach niemals ins Stocken gerät.
Zahllose Arten entsteh’n und vergeh’n,
bevor der Mensch betritt die Szenerie.
Auch dessen Ende ist vorherzuseh’n,
das ist die kosmische Dramaturgie.
Wir sollten auf Erden nutzen die Zeit,
zum Siege verhelfen der Menschlichkeit.
Die Umwelt schützen, Raubbau beenden,
das Anthropozän zum Guten wenden.
Ökonomie und Ökologie im Verein,
der blaue Planet wird uns dankbar sein.
Rainer Kirmse , Altenburg
Herzliche Grüße aus Thüringen
Wow, herzlichen Dank für diese beeindruckenden Zeilen!
Liebe Grüße aus der Pfalz :)
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