Friederike Otto: Wütendes Wetter

Cover Otto Wütendes Wetter

© Ullstein

Lang anhaltende Hitzeperioden, heftige Stürme, sintflutartige Regenfälle – ist das noch normal oder ist das schon der Klimawandel? Die Physikerin und Philosophin Friederike Otto ist Mitbegründerin eines neuen Zweigs der Klimaforschung: der Attribution Science oder auch Zuordnungswissenschaft. Sie hat es sich zur Aufgabe gemacht, konkrete Extremwetterlagen auf den Klimawandel zurückzuführen. In ihrem Buch Wütendes Wetter erläutert die engagierte Wissenschaftlerin ihre Arbeit und verdeutlicht an konkreten Beispielen, welcher Anteil dem Klimawandel zukommt.

2014 rief Friederike Otto zusammen mit anderen Wissenschaftlern das Projekt „World Weather Attribution“ ins Leben. Ein internationales Team betreibt in Echtzeit Ursachenforschung zu aktuellen Extremwetter-Ereignissen. Das funktioniert mit einer Vielzahl komplexer Simulationen, mit Wetterdaten aus den letzten 30 Jahren und aktuellen Wetterbeobachtungen. Diese werden verglichen mit dem möglichen Wetter in einer Welt ohne den Klimawandel. Dazu fließen auch historische Wetteraufzeichnungen aus früheren Jahrhunderten mit ein, zum Beispiel Informationen aus alten Schiffslogbüchern. Innerhalb von wenigen Tagen oder Wochen können die Klimaforscher handfeste Ergebnisse liefern und den Anteil des Klimawandels am aktuellen Wetter beziffern.

So konnte das Team beim Hurrikan Harvey, der 2017 in Texas wütete, feststellen, dass sich die Wahrscheinlichkeit für den damit einhergehenden Starkregen verdreifacht hat. Auch die jahrelange Dürre in Südafrika, besonders in Kapstadt, ist dreimal so wahrscheinlich wie in einer Welt ohne Klimawandel. Hitzewellen wie 2017 in Südeuropa sind sogar zehnmal wahrscheinlicher! Von den 190 Fällen, die vom World Weather Attribution-Projekt in den letzten Jahren untersucht wurden, führte der Klimawandel bei zwei Dritteln zu einer erhöhten Wahrscheinlichkeit.

Was früher als seltener Ausreißer galt, ist heute „das neue Normal“, schreibt Friederike Otto. Denn die Zusammensetzung der Atmosphäre und die Luftzirkulation haben sich seit Beginn der Industrialisierung stark verändert. Die Treibhausgasemissionen haben zu einer Erderwärmung geführt. Jedes weitere Grad, um das sich die Erde erwärmt, führt zu mehr Regenfällen und verstärkt die Intensität des globalen Wetters, allerdings mit starken regionalen Unterschieden. In Europa werden wir uns an Hitzesommer wie in den letzten Jahren gewöhnen müssen. Friederike Ottos Forschungsgebiet, die Attribution Science, kann helfen, sich in Zukunft besser auf solche Ereignisse vorzubereiten. Wenn sich die Wahrscheinlichkeit einer wetterbedingten Katastrophe erhöht, müssen rechtzeitig Maßnahmen ergriffen werden, fordert sie, zum Beispiel der Anbau dürretauglicher Feldfrüchte in Ostafrika, ein besserer Überschwemmungsschutz in Houston, Texas, oder eine bessere Wasserversorgung für das von Dürren betroffene Kapstadt.

Auch die Schuldfrage lässt sich immer besser beantworten, denn wieviel Treibhausgase die einzelnen Länder emittieren, ist bekannt. Viele Staaten haben die Probleme durch den Klimawandel jahrzehntelang ignoriert oder verharmlost. Durch Untätigkeit oder mangelhafte Vorbereitung entstanden Schäden und hohe Verluste. Viele Menschen starben. Von den Auswirkungen sind aber vor allem ärmere Länder betroffen, weniger die westlichen Länder als Hauptverursacher. In Zukunft könnten Schadensersatzklagen gegen die Verursacher von Treibhausgasemissionen mithilfe der Attribution Science erfolgreich sein, meint Friederike Otto.

Lebendig erzählt die Autorin von ihrer abwechslungsreichen Arbeit, zu der neben der Auswertung verschiedener Klimamodelle mit gigantischen Datenmengen auch Besuche bei Klimaforschern am Ort eines Extremwetters und Interviews mit der Presse gehören. Wichtig ist ihr die Tatsache, dass nicht immer der Klimawandel für extreme Wetter verantwortlich ist. Jede Situation muss sorgfältig und unvoreingenommen betrachtet werden.

Friederike Ottos Buch Wütendes Wetter ist klar und verständlich geschrieben und bietet einen spannenden Einblick in das wichtige Forschungsfeld der Attribution Science. Da bleibt kein Zweifel, dass der Klimawandel längst in unserem alltäglichen Wetter angekommen ist.

Nominiert als Wissensbuch des Jahres 2019 in der Kategorie Zündstoff.

Friederike Otto: Wütendes Wetter – Auf der Suche nach den Schuldigen für Hitzewellen, Hochwasser und Stürme
unter Mitarbeit von Benjamin von Brackel
Ullstein Verlag 2019, 240 Seiten
ISBN 978-3-550-05092-3 Paperback
ISBN 978-3-548-06255-6 Taschenbuch
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9 Kommentare

  1. „Normales“ Wetter ist schon kompliziert genug, aber mit unseren „zivilisierten“ Zutaten wird es eine explosive Suppe…. spannend, spannend und endlich auch mal in Zusammenhängen. Klingt, als müsste ich dieses Buch lesen.

    • Was sich durch unsere „Zutaten“ alles verändert hat, wird sehr gut erläutert: die Physik des Wetters plus Treibhausgase. Es ist ein Buch, das auch Politiker dringend lesen sollten!

  2. Hallo nochmal :) welche Bücher sind denn deine Favoriten zum Thema Klimawandel? Es gibt so viele und es fällt mir schwer, da zu selektieren. Dieses hört sich schon mal gut an, ansonsten kenne ich nur Planet Planlos (hat mittlerweile einen neuen Titel, der mir gerade nicht einfälllt) von Anne Weiss und Stefan Bonner – fand ich sehr gut für einen Überblick… Harald Lesch hört man auch öfters – wie findest du seine Bücher, sind die empfehlenswert?lg

    • Superspannend ist „Der Tollhaus-Effekt“., über die Leugner des Klimawandels, oder „Das Ende der Ozeane“ von Mojib Latif. Verbrannte Mandeln war auch hochinteressant, da geht es um Klimawandel und Ernährung.
      Von Harald Lesch kenne ich ein paar ältere Bücher zur Astronomie, die mir sehr gut gefielen. Bei den neueren war ich nicht so begeistert. Eines las sich wie das Skript zu seinen Youtube-Videos. Seitdem habe ich nichts mehr von ihm gelesen.
      Das Buch von Friederike Otto lohnt sich auf jeden Fall!
      Liebe Grüße, Petra

  3. Vielen Dank dir!

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