Raupengipfel: bei OrnithologInnen der Universität Oslo gebräuchliche Bezeichnung für jene Zeit des Frühsommers, in der am meisten Raupen als Nahrung für die Vögel zur Verfügung stehen (im Original heißt es Larvetoppen). Der perfekte Begriff für meine Serie Wort-Schätze, denn wir sind gerade mittendrin im Raupengipfel. Als ich davon las, habe ich mich an diese von Raupen übersäte Brennnessel erinnert, gesehen im Mai 2017. Viele Schmetterlings-Arten befinden sich zur Zeit im Raupenstadium ihrer Metamorphose. Die hier abgebildeten Raupen entwickelten sich später zu schönen Tagpfauenaugen – falls sie nicht verschlungen wurden!
In meiner Serie Wort-Schätze stelle ich interessante Fundstücke aus meinen Lektüren vor. Der Begriff Raupengipfel, mein heutiger Fund, stammt aus dem Buch Das verborgene Leben der Meisen von Andreas Tjernshaugen, das mich sehr entzückt hat. Die von ihm beschriebenen Meisenarten, vor allem Kohl- und Blaumeisen, sind häufig in der Nähe der Menschen anzutreffen und daher beliebte Forschungsobjekte.
Andreas Tjernshaugen widmet dem Brutverhalten der Meisen ein spannendes Kapitel. Zum Raupengipfel schreibt er:
Gemeint ist, dass die Jungen am hungrigsten sind, wenn es die meisten Raupen gibt. Das Frühlingslicht löst bei den Vögeln den Prozess der Geschlechtsreife aus. Wann genau das erste Ei gelegt wird, entscheidet das Weibchen dann allerdings anhand der Temperatur oder anderer Frühlingsboten.
Das richtige Timing schon bei der Eiablage ist also entscheidend. Es ist abgestimmt auf den zu erwartenden Raupengipfel. Denn nach dem Schlüpfen müssen die Eltern für die gierigen Jungvögel innerhalb von drei Wochen etwa 10.000 Raupen herbeischaffen, neben anderer Kost, zum Beispiel Spinnen und Schneckenhäuser.
In den letzten Wochen habe ich ein Kohlmeisen-Paar beim Nisten beobachtet. Inzwischen sind die Küken geschlüpft und ihre Eltern schaffen ständig Nahrung herbei. Aus dem Nistkasten dringt ein mehrstimmiges Piepsen, das immer lauter wird. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis die Jungvögel ihr Nest verlassen. 2018 konnte ich das schon einmal beobachten und hoffe, dass es auch in diesem Jahr klappt!
Und hier habe ich noch ein Beispiel für den Überfluss während des Raupengipfels: Myriaden von Raupen einer Gespinstmotte ballen sich unter einem schützenden Netz zusammen. Solche Netze können ganze Bäume und Sträucher überziehen. Darunter fressen die Raupen alles kahl. Ein wahres Füllhorn an Nahrung für Vögel und räuberische Insekten!
Für meine Kohlmeisen und ihren Nachwuchs ist also gesorgt. Wenn Ihr mehr über den Lebenszyklus der Meisen erfahren möchtet, lege ich Euch das informative und schön bebilderte Buch von Andreas Tjernshaugen ans Herz!
Fundort: Das verborgene Leben der Meisen von Andreas Tjernshaugen
Alle Wort-Schätze gibt es hier: https://www.elementareslesen.de/tag/wort-schaetze/
Hallo Petra, vielen Dank für deinen schönen und interessanten Artikel, der uns zeigt, wie die Natur hervorragend zusammenspielt, wenn wir Menschen nicht dazwischenkommen!
Cari saluti
Martina
Diese Raupen einer Gespinstmotte vergnügen auch rein grafisch.
Fast wie ein abstraktes Gemälde. Man könnte endlos fotografieren und auf eine besondere Konstellation warten.
Die Wahl unter mehreren Fotos ist mir auch schwer gefallen. Das kennst du ja zur Genüge :)