Jens Soentgen: Die Nebelspur

Cover Soentgen Nebelspur

© Peter Hammer Verlag

Lange bevor die Wissenschaft begann, mithilfe gigantischer Teilchenbeschleuniger den Aufbau von Atomen und den Zoo der Elementarteilchen zu erforschen, gelang dem Schotten Charles Wilson eine bahnbrechende Erfindung, die den Grundstein zu allen Entdeckungen auf diesem Gebiet legte: die Nebelkammer. Der Chemiker und Philosoph Jens Soentgen stellt uns die Geschichte dieses originellen Apparats in seinem Buch Die Nebelspur vor.

Dieser Autor hat mich schon einmal mit einem Buch zur Geschichte der Chemie begeistert: Wie man mit dem Feuer philosophiert. Auch das neue Buch von Jens Soentgen habe ich mit großem Spaß gelesen! Es ist ein erzählendes Sachbuch für Jugendliche ab 14 Jahren und Erwachsene.

Nach einem Loblied auf die zähe Einwohnerschaft Schottlands und einem Ausflug in die schottische Wissenschaftsgeschichte nimmt uns der Autor mit auf den Ben Nevis, den höchsten Berg des Landes. 300 Tage im Jahr steckt dessen Gipfel in den Wolken. Doch Charles Wilson erlebte auch magische Sonnenaufgänge über der Wolkengrenze. Dort wurde er zu seiner Erfindung der Nebelkammer inspiriert. Soentgen charakterisiert ihn als versponnenen Physiker und Naturliebhaber, sparsam bis ins Mark, ausgestattet mit unendlicher Geduld und der “Bereitschaft, das Unerwartete wahrzunehmen”.

Wilson interessierte sich für die Entstehung von Wolken und beschloss, natürliche Wetterphänomene an seinem Arbeitsplatz am renommierten Cavendish Laboratorium nachzubilden. Dort experimentierte er mit Röntgenstrahlen und erkannte, dass Wolken nicht nur durch Staubpartikel entstehen, sondern auch durch Strahlung aus dem Weltraum. In seiner Nebelkammer wurden flüchtige Teilchen und die Bahnen von Atombruchstücken sichtbar! Wie so etwas aussieht, zeigen die faszinierenden Zeichnungen von Vitali Konstantinov. Die Nebelkammer war der Vorläufer moderner Teilchendetektoren. 1927 erhielt Wilson für diese Pionierleistung der Kernphysik den Nobelpreis.

Das Buch wird durch zahlreiche einfache Wolkenexperimente abgerundet. Sogar zum Bau einer Nebelkammer regt Jens Soentgen an. Dazu braucht man allerdings neben schottischem Whisky auch eine Portion schwach radioaktives Columbit. Mir gefielen besonders seine Anleitungen zum genauen Hinschauen. Es geht zum Beispiel darum, frühmorgens den Tau zu beobachten oder auch die Blutkörperchen, die durch die Adern unserer Augen wandern.

Die Nebelspur ist ein charmant geschriebenes Buch für Jugendliche ab 14 Jahren und Erwachsene. Anhand der biografischen Skizze des Wolken-, Nebel- und Blitzforschers Wilson betont Jens Soentgen, dass bedeutende Forschung mit erstaunlich geringem Aufwand möglich ist. Der preisgekrönte Illustrator Vitali Konstantinov zeigt uns viele Versuchsaufbauten, eine Karte mit den Höhenlinien des Ben Nevis und die schottischen Landsleute von Charles Wilson – alles mit feiner Ironie gezeichnet. Das Buch ist eine schön gestaltete Halbleinen-Ausgabe mit dickem Pappeinband. Nicht umfangreich, aber gehaltvoll!

Jens Soentgen: Die Nebelspur – Wie Charles Wilson den Weg zu den Atomen fand
Illustriert von Vitali Konstantinov
Peter Hammer Verlag 2019, 120 Seiten
ab 14 Jahren
ISBN 978-3-7795-0624-9
Leseprobe

 

Heute feiern wir bereits zum 8. Mal den vom Mairisch Verlag initiierten Indiebookday. Er gilt den kleinen, unabhängigen Verlagen, die mit schmalem Budget, aber viel Herzblut ihre besonderen Programme gestalten und die Buchlandschaft ungeheuer bereichern.

Mein diesjähriger Buchtipp ist im Wuppertaler Peter Hammer Verlag erschienen, der 1966 gegründet wurde. Die Schwerpunkte des Programms: Literatur aus Afrika und Lateinamerika und besonders schöne Bilder- und Kinderbücher, (darunter der Bilderbuch-Klassiker Vom kleinen Maulwurf, der wissen wollte, wer ihm auf den Kopf gemacht hat von Werner Holzwarth und Wolf Erlbruch – in der 49. Auflage!!!); Belletristik sowie politische und naturwissenschaftliche Sachbücher abseits des Mainstreams. Für seine außergewöhnlichen Werke erhielt der Verlag viele Auszeichnungen. So wurde das bereits erwähnte Buch Wie man mit dem Feuer philosophiert von Jens Soentgen und Vitali Konstantinov als Wissensbuch des Jahres 2016 in der Kategorie PERSPEKTIVE ausgezeichnet. Nutzt die Gelegenheit für eine Entdeckungsreise im Verlagsprogramm!

Weitere Buchtipps aus unabhängigen Verlagen findet Ihr hier im Blog unter dem Schlagwort Indiebook.

Normalerweise stürmen wir an diesem Tag die Buchhandlungen unseres Vertrauens und posten unsere Fundstücke unter dem Hashtag #indiebookday in den sozialen Medien. Doch in diesem Jahr ist alles anders. Wegen der Corona-Krise sind die meisten Buchhandlungen geschlossen. Damit der Feiertag der kleinen, unabhängigen Verlage nicht ins Wasser fällt, bitte ich Euch, in den Online-Shops eurer örtlichen Buchhandlungen zu bestellen. Sie liefern schnell, meist portofrei und – wegen der Buchpreisbindung – natürlich zum selben Preis wie die Internetgiganten! Gerade in dieser schwierigen Zeit ist es wichtig, nicht nur die unabhängigen Verlage, sondern auch unseren örtlichen Buchhandel zu unterstützen. Dort brechen momentan wegen der angeordneten Schließungen wichtige Umsätze weg und viele Existenzen sind bedroht!
#buylocal
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6 Kommentare

  1. Ein erfreutes Hallo und merci für die Tipps, Erlbruchs kleiner Maulwurf begleitet mich schon mein gesamtes Arbeitsleben und es ist immer wieder faszinierend wie aufmerksam und gebannt die Kinder die Geschichte verfolgen und sich dabei königlich amüsieren. “Ente, Tod und Tulpe” ist ein weiteres wunderbares Buch von ihm. Ich finde hier immer wieder Bücher für Mann, mich und Sohn das ist wunderbar. Bleib gesund und liebe Grüße
    Sandra

    • Liebe Sandra, vielen Dank für deine guten Wünsche :) Dir und deiner Familie wünsche ich Gesundheit und starke Nerven!
      Ich freue mich immer wieder über schön gemachte Kinderbücher, die auch uns Erwachsene erfreuen und bereichern können.
      Liebe Grüße und wir lesen uns, Petra

  2. Der Name Jens Soentgen hat sich bei mir fast eingebrannt.
    Ich denke, jedes Buch von ihm sollte eine Bereicherung sein :-)

  3. Pingback:Jens Soentgen: Staub | Elementares Lesen

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