Lothar Frenz: Wer wird überleben?

Cover Frenz Wer wird überleben

© Rowohlt

Die Rettung der Arabischen Oryxantilope ist geglückt. Doch das Sumatra-Nashorn steht trotz großer Anstrengungen vor dem Aussterben. Viele Tier- und Pflanzenarten haben wir dank unserer zerstörerischen Lebensweise unwiderruflich von der Erde getilgt. Viel zu spät wurde der Menschheit bewusst, was sie angerichtet hat. In seinem Buch Wer wird überleben? Die Zukunft von Natur und Mensch zieht der Biologe und Wissenschaftsjournalist Lothar Frenz eine zwiespältige Bilanz unserer Bemühungen zum Artenschutz.

Wie steht es um den Schutz der Artenvielfalt?
Weltweit engagieren sich unzählige Menschen und Institutionen für die Erhaltung der Biodiversität – in der Forschung und in Zoos, in botanischen Gärten und Naturschutzgebieten. Leidenschaftlich wird für die Bewahrung von Regenwäldern und anderen Ökosystemen gekämpft. Doch ist das genug? Frenz dokumentiert erfolgreiche und gescheiterte Rettungsversuche bei Tieren und Pflanzen.

Die Projekte, die er vorstellt, reichen vom Rewilding bis zur Nachzucht ausgerotteter Tiere, von der Bekämpfung eingeschleppter Arten bis zu Saatgutbanken. Frenz hat in vielen Teilen der Welt recherchiert. Er bereiste Orte mit hoher Biodiversität wie das Amazonas-Gebiet und den unter Schutz stehenden Chinko in Zentralafrika. Im Yellowstone-Nationalpark verfolgte er Artenschutz-Projekte für den Bison und die Rückkehr der Wölfe. Voller Faszination berichtet er von Reisen zu den Urwildpferden der Mongolei und Berggorillas in Uganda. Diese persönlichen Schilderungen machen sein Buch besonders lebendig!

Manche seiner Geschichten wecken Hoffnung, denn sie zeigen, dass Rettung mit hohem Einsatz, gutem Willen und menschlichem Erfindungsreichtum möglich ist. Andere Beispiele bringen einen zur Verzweiflung, wie die erschütternde Situation auf den javanischen Wildtiermärkten. Auf diesen »Märkten der Ausrottung« stehen seltene und geschützte Singvogelarten zum Verkauf, während die Wälder Javas ihrer Vögel beraubt wurden. Hinzu kommt der menschengemachte Klimawandel, der alle Probleme verschärft.

Ethik und Moral beim Artenschutz
Ohne Anstrengungen ist der Verlust vieler Arten nicht zu verhindern. Wen wollen wir also retten? Welche Spezies haben noch die Chance auf Rettung? Welche sind es uns wert? Geht es um Sympathie, um Nützlichkeit oder andere Werte? Welche Spezies opfern wir, um andere Arten zu bewahren? Was ist mit lästigen Parasiten? Erfüllen die nicht auch einen ökologischen Zweck? Welche Kriterien sind angemessen? Einfache Antworten gibt uns das Buch nicht.

Der Autor stellt zur Diskussion, ob zum Beispiel Jagdtourismus oder der Versuch, ausgestorbene Arten durch Gentechnik und synthetische Biologie wiederzubeleben oder neue Arten zu kreieren, sinnvoll für den Artenschutz sind. Auch unser Verhältnis zur Natur steht auf dem Prüfstand, mit Fragen, die Frenz zu Beginn der Kapitel direkt an uns richtet. Sie lauern bei der Lektüre des Buches im Hintergrund.

Neue Perspektive auf die Menschheit: Homo parasiticus?
Für das Ökosystem Erde sind wir gefährlich – ein tödlicher Parasit, der seine eigene Existenz aufs Spiel setzt. Wären wir wie gute Parasiten, die ihren Wirt nicht total ausbeuten, könnten wir die Schäden an der Natur begrenzen, meint Lothar Frenz. Ein faszinierender Gedanke!

Um unsere Zukunft zu sichern, brauchen wir intakte Ökosysteme und eine hohe Artenvielfalt. Dazu müssen wir die Beziehungen innerhalb der Netzwerke besser verstehen und unseren Platz in der Natur neu bestimmen. Lothar Frenz leistet mit seinem Buch Wer wird überleben? einen wertvollen Beitrag zum Verständnis dieser Wechselwirkungen. Eine packende und kurzweilige Lektüre – große Empfehlung!!!

Nominiert als Wissensbuch des Jahres 2020/21 in der Kategorie ÜBERBLICK

Lothar Frenz: Wer wird überleben? Die Zukunft von Natur und Mensch
Rowohlt Verlag 2021, 448 Seiten mit zahlreichen Schwarz/Weiß-Fotografien
ISBN 978-3-7371-0054-0
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6 Kommentare

  1. Pingback:Wissensbuch des Jahres 2020/21 – Die Nominierungen | Elementares Lesen

  2. Weil Du das Thema “Netzwerke” im letzten Abschnitt erwähnst: Der Komplexitätsforscher Brockmann hat ein tolles Buch dazu geliefert, in dem er die Netzwerke in Natur und Gesellschaft beleuchtet und deren bisweilen gemeinsame Charakteristik herausstellt.

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